Es ist im Kern eine gute Nachricht, die der Rechnungshof bei einer Prüfung zur Nachhaltigkeit des österreichischen Pensionssystems fand. Denn dieses stelle eine "geeignete Basis zur Versorgung der älteren Bevölkerung unter vertretbaren finanziellen Belastungen für die Erwerbstätigen und den Bundeshaushalt" dar. Das klingt nicht so schlecht. Doch es gibt einen wichtiger Beisatz: bei "sorgfältiger Weiterentwicklung". Und es ist genau diese "Weiterentwicklung", die der Rechnungshof bei seiner Prüfung eben nicht fand. Im Gegenteil, er fand vielmehr politische Sprunghaftigkeit, unbesetzte wichtige Positionen, administrative Unterlassung und jedenfalls keine Strategie. "Es besteht umfassender Handlungsbedarf", so der Rechnungshof.

Die grundlegende Herausforderung ist wohlbekannt: Die steigende Lebenserwartung und sinkende Geburtenzahlen verändern das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Pensionisten. Mit der damals sehr umstrittenen Pensionsreform im Jahr 2004 wollte die schwarz-blaue Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) diese Problematik mit der Einführung des Pensionskontos lösen, für weitere Anpassungen wurde aber keine Automatik zur Pensionsberechnung eingesetzt, sondern eine Kommission installiert. Die nunmehrige Alterssicherungskommission sollte unter anderem alle drei Jahre Berichte über die langfristige Entwicklung und Finanzierbarkeit des Pensionssystems erstellen und Vorschläge erarbeiten. 

Dieser Verpflichtung sei die Kommission aber in den untersuchten Jahren 2017 bis 2022 kaum nachgekommen, schreibt der Rechnungshof. Erst vor zwei Jahren legte sie ein Langfristgutachten vor. Unmittelbar danach trat der Leiter der Kommission, Kurzzeitminister Walter Pöltner, im Frust zurück. Bis heute hat die türkis-grüne Bundesregierung keinen Ersatz für ihn gefunden. Säumigkeit ist aber nicht nur der gegenwärtigen Koalition anzulasten, vielmehr hat sich die 2016 rundherum erneuerte Kommission auch unter Rot-Schwarz und Türkis-Blau wegen parteipolitischer Zwistigkeiten nie konstituieren können. Erst der Beamtenregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein gelang die Besetzung.

Auch die Vorgängerkommission hatte nur einmal, nämlich 2011, der Bundesregierung Empfehlungen vorgelegt. Die Kommission zur langfristigen Pensionssicherung definierte damals einen Zielpfad für das effektive Pensionsantrittsalter bis 2018. Durch abermalige Eingriffe, darunter bei der Invaliditätspension, änderten sich die Rahmenbedingungen, der Zielpfad wurde dann aber nie aktualisiert. 

Irritiert zeigt sich der Rechnungshof darüber, dass veröffentlichte Analysen zum Pensionssystem zu unterschiedlichen Schlüssen gelangten. Der Fiskalrat sieht die Nachhaltigkeit als nicht gesichert an. Auch die Analyse des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) im Auftrag des Finanzministeriums ging in diese Richtung. Die Alterssicherungskommission machte in ihren Beschlüssen gar keine Aussage dazu und schlug auch keine Reformmaßnahmen vor. "Es fehlen klare Kriterien, um beurteilen zu können, ob das Pensionssystem nachhaltig ist", so die Prüfer.

Ständiger Umbau ohne Plan

Geradezu grotesk ist, dass das Pensionsrecht zwischen 2005 und 2022 insgesamt 29-mal maßgeblich geändert wurde. "Eine klare Strategie ist allerdings nur teilweise zu erkennen", schreibt der Rechnungshof. Die Orientierungslosigkeit der Politik wird durch die Genese der auch heuer diskutierten Regelung zur ersten Pensionsanpassung illustriert. Im Jahr 2004 wurde die erste Pensionsanpassung im ersten Jahr ausgesetzt, zwischen 2008 und 2010 wieder eingeführt, 2011 dann erneut ausgesetzt und für die Jahre 2019 und 2020 abermals eingeführt. Ab 2021 wurde schließlich eine aliquote Anpassung – je nach Antrittsmonat – umgesetzt. Diese Regelung ist heuer übrigens erneut gekippt worden.

Bericht des Rechnungshofs zum Pensionssystem 8.22 MB

Bericht des Rechnungshofs zum Pensionssystem

Der Rechnungshof kritisiert zudem, dass die Pensionsanpassung seit dem Jahr 2005 nur zweimal – wie vorgesehen – mit der Inflation angepasst wurde. Dadurch sei es zu erheblichen Mehraufwendungen gegenüber der Rechtslage 2004 gekommen. Explizit streicht der Rechnungshof die Maßnahmen im "freien Spiel der Kräfte" des Nationalrats vor der Wahl 2019 hervor. Es sei zu "stark ausgabenerhöhenden Maßnahmen" gekommen, die auch nach einer Reform dieser Änderung hoch blieben. Vor allem aber: "Rund ein Drittel der maßgeblichen Veränderungen wurde finanziell vor der parlamentarischen Beschlussfassung nicht bewertet."

Die ständige Abweichung bei Anpassungen hatte übrigens auch Pöltner dazu bewogen, sein Mandat vorzeitig zurückzulegen. Im Interview mit der Kleinen Zeitung hatte der langjährige Spitzenbeamte im Sozialministerium vorgeschlagen, das gesetzliche Pensionsantrittsalter ab 2037 schrittweise zu erhöhen. "Wenn wir länger leben, müssen wir länger arbeiten. Diese Aussage ist so trivial, dass man sich fragt, warum man das Thema nicht entschiedener angreift", so Pöltner.

So konkret wird der Rechnungshof nicht, ihm geht es primär um systemische Verbesserungen. Er empfiehlt etwa eine Stärkung der Alterssicherungskommission, die künftig im Gesetzgebungsprozess eingebunden werden könnte, wenn Änderungen im Pensionsrecht geplant sind. Der Rechnungshof schreibt aber auch: "Unter Einbeziehung der Entwicklung der Lebenserwartung wäre ein strategisches Ziel zum effektiven Pensionsantrittsalter zu definieren, dessen Einhaltung regelmäßig zu prüfen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Zielerreichung zu setzen."