Raser-Autos können enteignet werden. Einen entsprechenden Beschluss hat am Mittwoch der Nationalrat mit den Stimmen von Koalition und SPÖ gefällt. Die NEOS votierten dagegen, da sie rechtliche Probleme sehen. Die Freiheitlichen erkennen diese ebenfalls, hätten aber soundso lieber ein höheres Tempolimit auf Autobahnen.

Dreistufiges System

An sich ist ein dreistufiges System vorgesehen, das von der vorläufigen Beschlagnahme über die Beschlagnahme bis zum Verfall des Fahrzeugs reicht. Personen, die im Ort 60 km/h und Überland 70 km/h zu schnell unterwegs sind, kann künftig das Auto ganz weggenommen werden. Bei mehr als 80 km/h (Ortsgebiet) bzw. 90 km/h (Freiland) an Geschwindigkeitsüberschreitungen soll unter bestimmten Umständen schon ein einmaliger Verstoß zum Verfall des Fahrzeugs führen können.

Wie Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) ausführte, werden die Gefährte versteigert. 70 Prozent der Erlöse gehen an den Verkehrssicherheitsfonds, der Rest an die jeweilige Gebietskörperschaft. Gehört das Auto dem Fahrer nicht, wird für ihn ein dauerhaftes Fahrverbot mit dem Fahrzeug erteilte.

Grünen-Verkehrssprecher Hannes Weratschnig meinte, wenn Raserei zur Gefahr für die Allgemeinheit werde, brauche es harte Sanktionen. Dies sei kein Kavaliersdelikt. Sein VP-Kollege Andreas Ottenschläger betonte, dass ein Auto für viele ein wichtiges Mobilitätsmittel sei: "Aber es ist im Straßenverkehr kein Spielzeug." Wenn das Auto zur Waffe werde, weil es missbräuchlich verwendet werde, dann müsse es in letzter Konsequenz "auch irgendwann weg sein".

SPÖ stimmt auch zu

Für einmal war die SPÖ ganz auf Linie mit der Koalition. Ihr Mandatar Dietmar Keck argumentierte, dass bei Extremrasern Führerscheinentzug nichts bringe, da sie auch dann weiterführen - und "Geldstrafen machen sie stolz." Ihre Autos seien aber Heiligtümer und wenn man ihnen diese wegnehme, sei das die einzige Handhabe, um Leben zu retten.

Gewessler erinnerte daran, dass solch ein Verkehrsverhalten auch eine Gefahr für Unbeteiligte bedeute: "Jeder einzelne Fall ist unerträglich."

Die NEOS gaben sich zwar ebenfalls an Raser-Bekämpfung interessiert, zu einer Zustimmung rang man sich aber nicht durch. Justizsprecher Johannes Margreiter gab rechtliche Bedenken an. Er meint, dass der VfGH etwa deshalb nicht mitspielen werde, da eine viel zu starke Unterscheidung zwischen Autobahnen und Ortsgebiet gegeben sei.

Rechtsprobleme und gescheiterte internationale Vorbilder machte der freiheitliche Verkehrssprecher Gerhard Deimek geltend und zeigte sich als Schutzpatron der Kfz: "Autos sind weder Waffen noch als solches böse und gefährlich." Er schlug vor, das Tempo auf den Autobahnen wie in Italien zu erhöhen. Das wäre etwas anständiges, findet Deimek.

Die neuen Gesetze im Überblick

Das neue ORF-Gesetz mit dem Ersatz der GIS durch eine Haushaltsabgabe hat am Mittwoch im Nationalrat zu der erwartet emotionalen Debatte geführt. Während die Koalition den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsfit gemacht sah, hagelte es seitens der Opposition scharfe Kritik. Speziell FPÖ-Klubchef Herbert Kickl gab sich entrüstet und sah den ORF als "Propaganda-Instrument der Mächtigen" fortgeschrieben.

Das neue ORF-Gesetz bringt das Ende der GIS-Gebühr, die durch eine Haushaltsabgabe ersetzt wird. Diese ist mit 15,30 Euro pro Monat zwar rund drei Euro günstiger, muss aber künftig von allen bezahlt werden. Dazu kommt in einigen Bundesländern eine Landesabgabe. Mehr Möglichkeiten gibt es online, indem sowohl online-only als auch online-first produziert werden darf. Die gegenwärtige Sieben-Tage-Beschränkung für Abrufe in der TVthek wird je nach Inhalt auf einen längeren Zeitraum ausgedehnt. Dafür erwarten den ORF stärkere Werbebeschränkungen im Radio- und Digitalbereich sowie mehr Transparenzpflichten etwa bei Nebeneinkünften.

Koalition zeigt sich mit Paket zufrieden

Die Koalition ist mit dem Paket durchaus zufrieden. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) verwies darauf, dass die Reform letztlich vom VfGH angestoßen worden sei. Mit der Reform sorge man dafür, dass er für die bisherigen Gebührenzahler billiger werde und mehr anbieten könne.

VP-Mediensprecher Kurt Egger betonte, dass man mit den Online-Vorgaben auch dafür gesorgt habe, dass der Wettbewerb gegenüber privaten Medienhäusern nicht unfair werde. Sport- und Kultur-Angebote blieben ebenso wie die Landesstudios erhalten.

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer betonte, man ermögliche dem ORF, ins 21. Jahrhundert zu gehen. Der Sender sei unabdingbar für die Demokratie. Gleichzeitig sichere man eine vielfältige Medienlandschaft ab. Scharf attackierte sie die FPÖ wegen deren Kritik an den Gebühren. Schließlich werde fpoe.tv mit der Parteienfinanzierung über Steuergeld finanziert und dort werde die freiheitliche Parallelwelt mit "Putin-Lügen" präsentiert.

"Millionenerbin zahlt gleich viel wie Supermarktkassiererin"

FP-Chef Kickl hatte mit scharfen Attacken gegen den ORF nicht gespart. Den heutigen Beschluss nannte er eine "Schande". Er sieht eine hunderte Millionen schwere Zwangssteuer. Kickl erkennt im ORF ein "Gemisch aus links-wokem Zeitgeist und schwarz-rot-grünen Machtansprüchen". Auch nach der Reform bleibe der Rundfunk ein "willfähriges Werkzeug zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung".

Kein gutes Haar am Beschluss fand auch der sozialdemokratische Abgeordnete Jörg Leichtfried. Er findet die neue Abgabe weder sozial noch gerecht: "Die Millionenerbin in der Seevilla zahlt gleich viel wie die Supermarktkassiererin in der Zwei-Zimmer-Wohnung." Zudem fehle eine Stärkung der Unabhängigkeit des ORF: "Wo ist die Gremien-Reform?", fragte sich Leichtfried.

Genau dasselbe bemängelte Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter. So bleibe der ORF ein "Instrument der Macht des politischen Orchesters". Die Neos wollten dagegen Kompetenz vor Parteibuch.

Hitzige Debatte um Teuerung und Steuersenkungen

Zu Beginn der Sitzung des Nationalrats am Mittwoch hatten die Neos eine Aktuelle Stunde unter das Motto "Steuern und Abgaben auf Arbeit senken" gestellt. Das würde ermöglichen, Löhne zu erhöhen, ohne die Inflation weiter anzuheizen, argumentierte Meinl-Reisinger. "Denn die Menschen wollen sich etwas aufbauen, keine Gutscheine bekommen."

SPÖ fordert Vermögenssteuern für "Superreiche"

Die Steuern und Abgaben auf Arbeit seien tatsächlich zu hoch, die Pläne der Neos würden allerdings Einsparungen bei der Bildung und im Sozialstaat vorsehen, warnte SPÖ-Budgetsprecher Kai Jan Krainer. Um Steuersenkungen auf Arbeit zu finanzieren, drängen die Sozialdemokraten deshalb auf Vermögenssteuern, damit "Superreiche endlich einen gerechten Beitrag leisten". Dem hatte Brunner zuvor bereits eine Absage erteilt.

Eine "Millionärssteuer für Millionenerben" wünschen sich dagegen die Grünen. Budgetsprecher Jakob Schwarz war aber vor allem bemüht, Erfolge der türkis-grünen Regierungsarbeit hervorzuheben und erinnerte etwa an die ökosoziale Steuerreform.

Die damit auch eingeführte CO2-Abgabe sei "nichts anderes als eine Erhöhung der Mineralölsteuer", befand wiederum der FPÖ-Abgeordnete Hubert Fuchs. "Das Abkassieren der österreichischen Bevölkerung muss ein Ende haben, das gilt insbesondere für die ORF-Zwangssteuer, die Sie heute beschließen werden."   

Schritt gegen Raser

Neben der ORF-Reform sollen im Nationalrat diese Woche rund 40 Gesetzesbeschlüsse gefasst werden. Drei ganztägige Sitzungen sind geplant, die letzten vor der gut zweimonatigen Sommerpause. Spätestens am Freitagabend gehen auch die 183 Abgeordneten in den Urlaub, zumindest beginnt die plenarfreie Zeit. Das nächste Plenum ist erst für Mitte September angesetzt. Sondersitzungen können jederzeit eingeschoben werden.

Ebenfalls am ersten Tag der Plenarwoche abgehandelt wird der nächste gesetzliche Schritt gegen Raser. So wird es künftig zusätzlich zu einer saftigen Geldstrafe bei sehr hohen Geschwindigkeitsüberschreitungen die Möglichkeit geben, das Fahrzeug zu beschlagnahmen und in letzter Konsequenz für verfallen zu erklären. Wer mit 130 Stundenkilometern im Ortsgebiet unterwegs ist oder mit 190 Stundenkilometern am Land, muss unter bestimmten Umständen schon beim ersten Vergehen seit Auto für immer und ewig abgeben.

Korruptionsstrafrecht

Verschärft wird auch das Korruptionsstrafrecht, konkret der Mandatskauf. Strafbar wird, wenn man einen Kandidaten mittels einer Zuwendung auf einen günstigen Listenplatz setzen lässt. Ausgenommen sind "normale" Parteispenden. Das Paket sieht auch vor, die Strafrahmen bei Cybercrime-Delikten zu verschärfen. Wer in Zukunft einen Computer hackt, muss mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe rechnen. Bisher waren sechs Monate Haftstrafe vorgesehen. Verlängert wird auch die während der Pandemie eingeführte Möglichkeit zur digitalen Teilnahme an Verhandlungen in Zivilverfahren.

Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz

Die SPÖ hat unter ihrem neuen Parteichef Andreas Babler und dem neuen Klubobmann Philip Kucher die Blockade gegen Verfassungsgesetze beendet. Das ist schon am Mittwoch spürbar, wenn mit den Stimmen der SPÖ das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz novelliert wird. Dieses soll Verbraucher unterstützen, den billigsten und auch für sie passenden Tarif zu finden.

Diverse kleine Materien

Auch andere kleinere Materien werden von der SPÖ getragen, etwa die schon lange ausständige Besetzung der Kontrollkommission des Staatsschutzes. Keine Zustimmung gibt es zum Krisensicherheitsgesetz, das etwa ein neues Lagezentrum unter dem Innenministerium vorsieht.
Unter den 40 geplanten Beschlüssen ist auch die Errichtung einer Ermittlungs- und Beschwerdestelle für Fälle von Polizeigewalt, deren Unabhängigkeit wegen ihrer Ansiedlung im Bundeskriminalamt immer wieder angezweifelt wird. Auch gibt es mehr Mittel für mehr Schutzunterkünfte für von Gewalt betroffene Frauen.

Nicht vor dem Sommer beschlossene Gesetze

Zu den Gesetzen, die nicht vor dem Sommer beschlossen werden, zählt die Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser hatte in seiner Rolle als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz Bedenken angemeldet, auf Bundesebene verhandeln Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).

Stillstand gibt es auch beim Klimaschutzgesetz. Derzeit gibt es keine gesetzlich vorgegebenen Treibhausgas-Reduktionszielwerte für Bund und Länder. Laut Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) sei man auf einem guten Weg. Für den Koalitionspartner ÖVP hat das Gesetz allerdings nicht oberste Priorität – auch weil man den Grünen in dieser Schlüsselmaterie keinen Erfolg gönnen will.