Seit Jahren gehen Gruppen wie Fridays for Future auf die Straße, um mehr Klimaschutz einzufordern. Der erzielte Fortschritt sei aber zu gering. Deshalb greift man nun zu anderen Mitteln. Es wird nicht nur geklebt, sondern auch geklagt.
Einige Klimaklagen werden diese Woche vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) geprüft – so etwa jene der zwölf Kinder und Jugendlichen, die ihre Rechte durch fehlenden Klimaschutz gefährdet sehen. Fridays for Future unterstützt die Klage und forderte die Regierung vorab in einem offenen Brief auf, „sofortige, wirksame Klimaschutzmaßnahmen für uns und unsere Kinder“ umzusetzen. Bisher hatte jedoch keine Klimaklage in Österreich Erfolg.
Aussichten auf Erfolg?
Der VfGH berät und verhandelt viermal im Jahr zu eingebrachten Klagen. Wenn es keine Aussicht auf Erfolg gibt, kann die Klage gleich zurückgewiesen werden, wie es bisher geschehen ist, sagt Gerhard Schnedl vom Institut für öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Uni Graz.
Ein Grund dafür sei, dass man Versäumnisse des Gesetzgebers nicht einklagen kann. Der VfGH könne nur bestehende Gesetze aufheben oder nachbessern lassen. Die Klage der Kinder und Jugendlichen, die im März eingebracht wurde, sei laut Schnedl aber interessant, weil man sich zum ersten Mal auf Kinderrechte stützt.
Ein Recht auf Klimaschutz gibt es in der EU und in Österreich nicht. „Wie diese Verhandlungen ausgehen, weiß nur der VfGH. Das ist immer auch eine Wertungsentscheidung. Rechtsansichten können sich aber auch ändern, wie die gleichgeschlechtliche Ehe gezeigt hat“, so Schnedl.
Internationale Klagen als Vorbild
Sind Klimaschutzklagen in anderen Ländern erfolgreich, könne das auch Einfluss auf die Entscheidung des VfGH in Österreich haben. Die niederländische Regierung wurde beispielsweise 2019 zu mehr Klimaschutz verpflichtet.
Im März 2021 erklärte das deutsche Bundesverfassungsgericht Bestimmungen des deutschen Klimaschutzgesetzes für verfassungswidrig, da der Zielhorizont bis 2030 zu kurz gesetzt sei.
Mittlerweile befasst sich auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit einer Klimaklage aus der Schweiz. Diese wurde von rund 2.000 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren eingebracht. Sie sehen ihre Gesundheit durch die Klimakrise bedroht.
Sind Klagen die einzige Möglichkeit für mehr Klimaschutz?
„Die Möglichkeit, die wir haben, um Klimaschutz einzufordern, sind Wahlen“, sagt Laurenz Ennser-Jedenastik vom Institut für Staatswissenschaft der Uni Wien. „Grundsätzlich ist es legitim, alle demokratischen Mittel auszuschöpfen, diese sind aber begrenzt.“
Es könne deshalb auch sein, dass wir es als Gesellschaft nicht schaffen, effektive Klimaschutzmaßnahmen zu setzen – mit den Mitteln, die wir in der Demokratie zur Verfügung haben. „Je mehr Leute denken, dass der Gesetzgeber zu wenig tut, desto eher wird auch zu anderen Maßnahmen gegriffen werden, sofern diese erfolgreich sind“, sagt Ennser-Jedenastik. Diese Klagen seien Teil des Phänomens.
Laut Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) stehe es im Rechtsstaat jedem frei, sich auch auf rechtlichem Weg für mehr Klimaschutz stark zu machen. „Das ist auch gut so. Der Job der Politik ist es, Verantwortung zu übernehmen und das Klima zu schützen – und zwar ohne, dass es Klagen braucht.“
Sandra Czadul