Wann waren zuletzt solche Parteitagsreden zu hören, leidenschaftlich und werbend um die Herzen der Zuhörerschaft? Je eine Dreiviertelstunde lang versuchten Hans Peter Doskozil und Andreas Babler in dieser Reihenfolge, die Gefühle der 603 Delegierten zu mobilisieren. Wenig verband die Rivalen um das Amt des Parteivorsitzes und um die Spitzenkandidatur im nächsten Nationalratswahlkampf im Stil, viel hingegen thematisch.

Hans Peter Doskozil bei seiner Rede in Linz
Hans Peter Doskozil bei seiner Rede in Linz © (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)

Konkret erinnert der burgenländische Landeshauptmann an Plakate und Kampagnen der letzten Jahre, an Versprechen, denen keine Taten gefolgt seien. Er erzählt vom Besuch eines burgenländischen Krankenhauses. Als er den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Mindestlohn versprach, traf er auf tiefe Skepsis. "Die haben mir nicht geglaubt, dass er umgesetzt wird. Da hab ich gesehen, dass wir an Glaubwürdigkeit verloren haben."

Beim Thema Mindestlohn macht Doskozil ein Friedensangebot an die Gewerkschaft, die massiv gegen die gesetzliche Einführung im Landesdienst opponiert hatte. "Bitte lassen wir uns doch nicht auseinanderdividieren in dieser Frage", sagte Doskozil zu den Gewerkschaftern, die in abweisender Körperhaltung auf der Saalseite Bablers saßen.

Doskozil wiederholt seine Angriffe auf die Ärztekammer, der zu viel Macht in die Hand gegeben worden sei. Erneut greift er auch das Wahlärztesystem in Österreich an und erinnert an seine Idee, Medizinstudenten zu verpflichten, einige Jahre im österreichischen Gesundheitssystem zu dienen.

Heikles Thema Stimmbänder

"Wir haben teilweise eine Pflegesituation, die nicht mehr gemeinnützig ist", greift er ein weiteres Thema auf, bei dem das Burgenland eigene Wege geht. "Warum betreibt ein privates Unternehmen ein Pflegeheim?", fragt Doskozil und antwortet: "Weil sie Gewinn machen wollen." Das lehne er ab. "Wir haben gesetzlich verankert, Pflege darf nur gemeinnützig vonstattengehen." Das heikle Thema Migration fiel aus, die Zeit reichte nicht.

Zuletzt sprach er noch das heikle Thema seiner mehrfach operierten Stimmbänder an. "Funktioniert das mit der Stimme?", fragte er rhetorisch. Könne er einen Wahlkampf bestreiten, eine Legislaturperiode durchhalten? "Ich kann euch versprechen, dass die Stimme funktioniert. Was ich nicht versprechen kann, ist, dass ich nicht noch ein sechstes oder siebtes Mal operiert werden muss", gab er offen zu.

Tosender Applaus für Andreas Babler

Andreas Babler, der von tosendem Vorabapplaus aufs Podium begleitet wurde, nutzte seinen doppelten Vorteil. Gleich zu Beginn betont er, an den Querelen der letzten Monate nicht schuld zu sein, ein indirekter Angriff auf Doskozil, der den Sturz von Pamela Rendi-Wagner herbeigeführt hat. Ihr gilt der ausdrückliche Dank Bablers, der Applaus geht auch auf sein Konto. Redetempo und die Phonstärke seiner Rede unterschieden ihn auch deutlich von seinem Vorredner. Nicht einmal vom Applaus ließ Babler seinen Redefluss unterbrechen – auf Kosten der Verständlichkeit.

Babler hält eine leidenschaftliche, klassenkämpferische Rede, die auch ein Angriff auf die mangelnde Kampfbereitschaft seiner Partei ist. "Wir sind nicht Bittsteller bei der Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, weil sie uns zusteht", sagt Babler. "Die Arbeitsproduktivität hat sich verdoppelt, und wir haben nur einen kleinen Anteil davon bekommen", ruft er. "Das holen wir uns zurück." Der Jubel ist ihm sicher.

Andreas Babler will die Delegierten von sich überzeugen
Andreas Babler will die Delegierten von sich überzeugen © (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)

"Tag für Tag müssen wir mit aller Kraft auf den Tisch hauen", fordert er unter dem Applaus seiner Anhänger. Anders als Doskozil widmet er einen langen Abschnitt seiner Rede der Klimapolitik. Er versteht sie auch als sozialdemokratischen Verteilungskampf. "Die reichsten zehn Prozent blasen die Hälfte der Emissionen in die Luft", sagt er, die Folgen müssten jene ausbaden, die nichts haben. Klare Kontraste.  

Die Frage nach der Finanzierbarkeit sozialdemokratischer Anliegen weist Babler zurück: "Bei der Ausschüttung von 40 Milliarden Coronahilfen hat auch niemand gefragt", ruft Babler. Eine Geldquelle nennt er auch. "An einer direkten Vermögenssteuer führt kein Weg vorbei."

"Nach oben treten, nicht nach unten"

Auch Babler bezieht sich auf die Erfolge seiner Arbeit als Bürgermeister von Traiskirchen, der zuletzt 71 Prozent für die SPÖ einfahren konnte, obwohl das große Flüchtlingslager dort eigentlich ein ideales Umfeld für die FPÖ wäre. "Die Zustände haben wir nie gegen die Menschen gelenkt, die mit dem Plastiksackerl zu uns kommen. In Traiskirchen ist die FPÖ einstellig, wo sie hingehört – was wir uns fürs ganze Land wünschen." Die Delegierten fordert er auf, "gemeinsam mit uns nach zu oben treten, nicht nach unten".

"Wir müssen wieder über rote Themen reden", fordert er die begeisterten Delegierten auf. "Jetzt beginnt der Aufbruch in eine neue Zeit." Es sei Zeit, "ein unglaubliches Comeback der Sozialdemokratie zu feiern, voller Stolz und Würde, die nichts und niemanden fürchtet". Und Babler schloss mit einem abgewandelten Brand-Zitat und geballter Faust: "Mehr Sozialdemokratie wagen!" Auf dem Weg zu seinem Platz schüttelt er seinem Kontrahenten die Hand, ein Versöhnungsangebot.