Im Vorfeld des mit Spannung erwarteten SPÖ-Bundesparteitages am Samstag in Linz scheinen die Nerven in der Partei endgültig blank zu liegen. Am Mittwochvormittag wurde bekannt, dass sich der umstrittene Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch aus seiner Funktion zurückzieht. Ein Schritt, der intern kaum überrascht, hätte sich Deutsch doch weder unter Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil noch unter dem Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler als neuer Parteichef in der Zentrale halten können.

Deutschs Rückzug platzt jedoch mitten in einen bereits tobenden Sturm. Kandidat Babler hatte erst vor einigen Tagen mit der Aussage, er sei ein Marxist, für Wirbel gesorgt. Ein Zitat, das er gegenüber der Kleinen Zeitung bereits relativiert hat. Babler habe von der Kreisky-Definition des Marxismus "als eine von vielen wichtigen Denkschulen" gesprochen.

"Überhaupt nicht leiwande" EU

Am Dienstagabend folgte jedoch der nächste Aufreger. Just vor der Abstimmung der Delegierten tauchte ein Video von Babler auf, in dem er erklärte, die Europäische Union sei das "aggressivste außenpolitische, militärische Bündnis, das es je gegeben hat" und "schlimmer als die Nato", weshalb er die EU "überhaupt nicht leiwand" finde. Die Union sei ein "imperialistisches Projekt mit ein paar Sozialstandards".

Frühere Kritik am EU-Beitritt Österreichs hatte Babler bisher als "linke Jugendsünden" abgetan. Doch die Aussagen stammen aus einem 2020 aufgenommenen Podcast mit dem SPÖ-nahen PR-Berater Rudi Fussi (heute dem Doskozil-Lager zuzurechnen) und der Politikwissenschaftlerin und Aktivistin Natascha Strobl, die Bablers Wahlkampf mitorganisiert. Der Videomitschnitt dürfte wohl – so die interne Vermutung – im Umfeld von Bablers Kontrahenten Doskozil ausgegraben worden sein. Strobl spricht via Twitter von einer "Masterclass in Dirty Campaigning", die sich hier offenbare.

Babler selbst relativierte im Interview mit der Kleinen Zeitung, er stehe "keinesfalls" für einen EU-Austritt, sondern habe nur gefordert, die EU in Richtung "Sozialunion" fortzuentwickeln. Es brauche eine Reform der Verträge. Man solle nun nicht über "semantische Spitzfindigkeiten" diskutieren.

Genützt hat ihm die Entgegnung wenig, am Mittwoch meldeten sich zahlreiche Parteikollegen und politische Mitbewerber mit Kritik zu Wort. Intern werden die Aussagen von vielen Genossinnen und Genossen als Widerspruch zur proeuropäischen Ausrichtung gesehen, die die SPÖ seit dem Beitritt Österreichs 1995 unter Bundeskanzler und Parteichef Franz Vranitzky vertritt.

Ex-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda erklärte via Twitter, er wolle sich "ein sozialdemokratisch geführtes Österreich" ohne klare Positionierung zur EU "nicht vorstellen". Wiens Bürgermeister Michael Ludwig räumte ein, dass man die EU durchaus kritisieren dürfe. Doch "wer politische Verantwortung für die Sozialdemokratie in Zukunft übernimmt", der brauche eine "klare Positionierung für einen proeuropäischen Weg", forderte er am Rande einer Pressekonferenz.

Doskozil: EU ist "wichtigstes Friedensprojekt"

Unterstützung kam hingegen vom früheren Spitzendiplomaten Wolfgang Petritsch. „Das ist halt eine Schwurbelei, wie sie in linken Kreisen üblich ist, wo viel und alles Mögliche diskutiert wird“, erklärt er in der „Presse“. Er halte Babler in EU-Fragen für lernfähig und unterstütze ihn weiterhin. Nicht zu Bablers Aussagen äußern wollte sich hingegen Konkurrent Doskozil, man konzentriere sich "weiter ganz auf unsere Themen und Ziele".

Nicht zu Bablers Aussagen äußern wollte sich hingegen Konkurrent Doskozil, er konzentriere sich lieber „weiter ganz auf unsere Themen und Ziele“. Im Interview mit Plus24 erklärte er, angesichts der nun entfachten Debatte „nicht mit dem Finger zeigen“ zu wollen. Aber: Die EU sei „das wichtigste Friedensprojekt Europas“.