Herr Landeshauptmann, vom Wiener Bürgermeister abwärts versuchen Parteikollegen, Sie um jeden Preis als Parteichef zu verhindern. Wie erklären Sie sich selbst, dass Sie für viele in Ihrer eigenen Partei ein rotes Tuch sind?
HANS PETER DOSKOZIL: Man kann das Ergebnis einer Mitgliederbefragung nicht negieren und am Ende des Tages wird man auch das Ergebnis eines Parteitages nicht negieren können. Ich war schon in der Präsidiumssitzung einigermaßen überrascht, mit welcher Schärfe einige Mitglieder meine Politik und mich angegriffen haben.

Was stört die?
Es geht wohl hauptsächlich darum, dass man nicht durchgekommen ist, dass man Inhalte unterschiedlich beurteilt – und, wie es in der Politik eben ist, auch um Macht. So eine Sitzung ist schon sehr emotional. Aber mir ist es ernst damit, dass die Partei insgesamt wichtiger ist als Einzelinteressen. Daher habe ich in den Raum gestellt, wenn ich manchen so ein Dorn im Auge bin, wenn es nicht möglich ist, die Partei personell und thematisch so zu organisieren, dass man eine Wahl gewinnt, dann bin ich der Falsche als Parteichef. Die Vorsitzenden von sieben Landesorganisationen haben mich allerdings gemeinsam überzeugt, doch beim Parteitag anzutreten.

Die Nationalratswahl ist in einem Jahr. Sollten Sie Parteichef werden: Kann es sein, dass Sie in einem halben Jahr sagen, das funktioniert nicht, weil es keine Einigung gibt?
Da muss ich mit Michael Ludwig einiges ausräumen. Wir sind erwachsene Leute. Da muss auch ich die Hand ausstrecken – ich habe auch kein Problem, gewisse Fehler einzugestehen. Aber ich habe nie persönlich gegen jemanden geschossen, ich habe auch nie jemanden auf der persönlichen Ebene beleidigt.

Warum wird es dann trotzdem so wahrgenommen?
Weil das als Narrativ so erzählt wird. Die inhaltliche Diskussion ist schon zu führen, was wichtiger ist, Mindestlohn oder Arbeitszeitverkürzung, wo es durchaus verschiedene Meinungen gibt, oder die nötigen Maßnahmen für das Gesundheitssystem. Mit meiner Positionierung habe ich Wahlen gewonnen. Man muss sich auch die Frage stellen, was passiert wäre, wenn ich mit diesem Abstand Zweiter oder Dritter geworden wäre – hätten sich dann auch alle starkgemacht, dass wir möglicherweise eine zweite Mitgliederbefragung brauchen?

Nehmen Sie es Babler übel, dass er beim Parteitag noch einmal gegen Sie antritt?
Er war bei der Beschlussfassung über den Modus zwar nicht dabei – aber viele Funktionäre sind nicht dabei, wenn im Vorstand Beschlüsse gefasst werden, und halten sich trotzdem daran. Diese Disziplin hätte man im Sinne der Partei schon erwarten können. Ich habe für mich von vornherein klargestellt, dass ich bei einer demokratischen Entscheidung wie der Mitgliederbefragung jedes Ergebnis respektiere – und eben auch beim Parteitag.

Sie haben die ursprüngliche Mitgliederbefragung durchgesetzt. Warum haben Sie jetzt Angst davor, die Basis in einer Stichwahl abstimmen zu lassen?
Ich habe vor nichts Angst. Ich bin derjenige, der sich aus seiner Komfortzone mit der absoluten Mehrheit und Topumfragewerten hier im Burgenland herauswagt. Am Ende des Tages bedeutet das – Mitgliederbefragung, Parteieinigung, Nationalratswahl – für mich das Risiko, dass meine politische Karriere mit 54 zu Ende ist. Mir Feigheit vorzuwerfen, ist schon mutig.

Aber warum dann nicht doch noch eine zweite Befragung?
Weil es nicht vereinbart war. Es gibt Beschlüsse, es geht um Vertrauen, Verlässlichkeit und ein glaubwürdiges Miteinander. Das ist das Wichtigste.

Dass Babler vielleicht eine größere Chance bei der Befragung gehabt hätte, spielt keine Rolle?
Er hätte ja auch jetzt die Befragung gewinnen können.

Könnte Babler einen Ministerposten im Team Doskozil bekommen?
Dass man über Funktionen diskutiert lange vor einer Wahl und bevor grundlegende Fragen geklärt sind, das waren die Fehler der Vergangenheit. Es geht nicht darum, Andreas Babler ein Personalangebot zu machen. Es geht um die eine Sozialdemokratie, da muss man sich inhaltlich akkordieren und dann die richtigen Personen platzieren, zunächst im Klub und in der Partei. Später muss man auch versuchen, alle Personalreserven zu heben, die wir in den Ländern haben. Ich möchte thematisch und personell den Bogen so spannen, dass wir die gesamte Breite und Vielfalt unserer Partei abdecken – auch im Hinblick auf ein überzeugendes Regierungsteam. Ich will keine Situation mehr haben wie nach der damaligen Wahl, als Gusenbauer bei Voves angerufen hat. Daher werde ich selbstverständlich auf alle zugehen.

Sollen die SPÖ-Mitglieder nach der nächsten Wahl über einen Koalitionspakt abstimmen?
Wir müssen sowieso neue Regeln für Mitgliederbefragungen festlegen – so lange, wie das jetzt dauert, das geht nicht mehr. Ich hätte gerne, dass die Wahl des Vorsitzenden und auch die Bestätigung eines ausverhandelten Koalitionsabkommens der Mitgliederbefragung unterzogen werden. Wenn wir das im Frühjahr 2024 beschließen, müssten wir das bei einer Koalitionsverhandlung nach der Wahl schon anwenden.

Video-Umfrage: Babler oder Doskozil?

Was unternehmen Sie diese Woche noch, um die Delegierten am Parteitag zu überzeugen?
Wir machen jetzt keinen internen Wahlkampf mehr. Wir sind als Personen und Persönlichkeiten in der Partei bekannt genug, unsere Positionen haben wir oft genug diskutiert. Am Parteitag halten wir dann auch noch Reden – und damit muss irgendwann auch einmal Schluss sein. Diese Vorschläge von zusätzlichen Duellen und so weiter haben für mich mehr von einer Zirkusnummer. Ich bin nicht dafür zu haben, dass wir uns als Parteifreunde in der Öffentlichkeit beflegeln. Aber ich setze mich dann gerne mit den Chefs von ÖVP und FPÖ auseinander.