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Es ist wieder einmal eine große Stunde für Schreibtisch-Pädagogen, Diversitätsideologen und linke Politiker. Von "Rassismus" spricht die Vorsitzende der Kleinpartei Neos, der angeblich die Bildung der jungen Menschen, auch der mit Migrationshintergrund hoffentlich, ein großes Anliegen ist.

Andere sehen das Recht der Kinder auf Privatleben gefährdet. Auch das ist ein Unsinn. Die Schule ist ein öffentlicher Ort, Lehrer und Schüler gehen dort nicht hin, um ihr Privatleben zu führen. Dass der Schulhof davon ausgenommen sein soll, dürfte manche Lehrer überraschen, die dafür bezahlt werden, dass sie genau das nicht zulassen. "Deutsch in der Pause" wurde vor ein paar Jahren auch in der Steiermark abgehandelt. Damals brachten Funktionäre aller Art dieselben Argumente vor wie jetzt in Niederösterreich.

Dann ließ die Kleine Zeitung jemanden zu Wort kommen, der als Einziger wirklich wusste, wovon er redete und der alles schon ausprobiert hatte, wovon die anderen sagten, es sei nicht möglich oder nicht wünschenswert: den Direktor der Volksschule St. Andrä, die einen sehr hohen Ausländeranteil hat. Geben wir ihm hier das Wort. Seine Argumente gelten heute wie vor fünf Jahren:

"Es hat sich für mich nie die Frage gestellt, wie in der Schule gesprochen werden muss: Deutsch und das natürlich auch in der Pause. Wir haben so viele Kinder mit so vielen Sprachen an unserer Schule, die verstehen einander ohnehin nur auf Deutsch."

"Das Argument, dass man die Lehrer nicht auch noch in der Pause für die Kontrolle der Deutschpflicht hernehmen könne, ist doch absurd. Die Pause ist für Lehrer natürlich Teil des Arbeitstages, den sie mit den Kindern verbringen sollen."

"Lehrer sollen ja schon jetzt dafür sorgen, dass die Schüler sich untereinander auf Deutsch unterhalten. Kann es einer nicht, wird untereinander rasch übersetzt. Das ist eine Frage der Höflichkeit. Es geht ja auch darum, dass es eine Klassengemeinschaft gibt."

"Tatsächlich wird um Umfeld der Kinder, mit Freunden und in der Familie oft nur in der Muttersprache geredet. Deshalb ist es so wichtig, dass sie den ganzen Schultag über Deutsch reden, weil es die einzige Übungsmöglichkeit ist. Ich habe viele Eltern, etwa aus türkischen Familien, die sogar bitten, dass man ihre Kinder in eine Klasse versetzt, wo sie nicht mit anderen Kindern in der Muttersprache reden können."

"Reden fünf Gruppen im Hof jeweils in ihrer Muttersprache, habe ich fünf Subgemeinschaften. Lacht eine Gruppe, können sich jene, die nichts verstehen, angegriffen fühlen. Wenn einer in seiner Muttersprache schimpft, sage ich immer: 'Schimpf auf Deutsch, damit wir Dich verstehen.' Dann lachen immer alle."

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Ich versteh's. Ich versteh's wirklich, dass man sich wünscht, tagein, tagaus überall in Österreich nur Deutsch zu hören. Am Gericht und beim AMS, im Krankenhaus und zu Hause durch die 24-Stunden-Pflege, in Zug und Bus, beim Bäcker und auf der Baustelle, während des Schulunterrichts und nun bitte auch in der Pause. Uns allen, mit oder ohne Erstsprache Deutsch, ist die Unsicherheit und Angst nicht fremd, wenn wir keine Ahnung haben, was rund um uns gesprochen wird.

Könnte ja auch etwas Garstiges über uns sein. Deutsch ist einfach der kleinste gemeinsame Nenner hier im Land. Da bei den Kindern anzusetzen, ist sinnvoll. Wissen wir doch alle aus schmerzhafter Erfahrung, je älter wir werden, umso weniger flutscht es, umso mühevoller wird es, ein neues Idiom dazuzulernen.

Ich wiederhole: Das Beherrschen der deutschen Sprache und ein friedliches, respektvolles Miteinander in unserer Gesellschaft wollen wir alle fördern. Aber: Deutschpflicht in der Pause ist der vollkommen falsche, weil kontraproduktive Weg dorthin. Die schwarz-blaue Koalition in Niederösterreich – nach ihrem Pendant in Oberösterreich im Jahr 2015 – vergisst die Geschichte, ignoriert die offensichtliche Verfassungswidrigkeit, verkennt wissenschaftlich belegte Erkenntnisse zu Spracherwerb, drängt Lehrerinnen und Lehrer in die Rolle einer Sprachpolizei ohne Sanktionsmöglichkeiten und zeugt von totaler Unkenntnis des heutigen Schulalltags und gelingender, nicht mehr schwarzer Pädagogik. Kein Bub, kein Mädchen in Österreich wird weniger Grammatik- und Rechtschreibfehler bei den Hausübungen machen, den "Zauberlehrling" flüssiger und gewandter frei vortragen oder den Leserbrief bei der Deutsch-Schularbeit in einem ausgefeilteren Stil verfassen. Nämlich nur deshalb, weil es sich mit den anderen Kindern in der Pause ab jetzt zwangsverpflichtet ausschließlich auf Deutsch über das neueste TikTok-Video, die viel zu teure Pizzastange am Schulbuffet oder den besten Fußballer aus der Nachbarklasse unterhält. Nebenbei, Recht auf Privatsphäre? Schon einmal gehört?

Dass wir diesen absurden Vorschlag wider besseres Wissen nicht nur vom 5. Zwerg in der letzten Reihe links hinten, sondern wiederholt von der Regierung eines Bundeslandes zu hören bekommen, ist skandalös, brandgefährlich und wahrlich kein "interessanter Zugang", wie es der Bildungsminister für ganz Österreich kommentiert. Der Samen der Spaltung und nicht der Integration wird so stetig gesät. Es ist ein garstiger Samen, und er fällt auf fruchtbaren Boden. Warum kommt mir das in der eigenen Schulzeit natürlich brav auswendig gelernte Gedicht "Belsazar" von Heinrich Heine nur in den Sinn: "Und er brüstet sich frech, und lästert wild. Die Knechtenschar ihm Beifall brüllt."