Am Samstag wird sich die SPÖ zum zweiten Mal in der Geschichte  per Kampfabstimmung für ihre Parteispitze entscheiden. Das letzte Mal läutete eine solche die Ära Bruno Kreisky ein.

Das erste und bisher einzige Mal, dass die Delegierten bei einem SPÖ-Parteitag mehr als einen Kandidaten zur Auswahl hatten, war 1967. 502 Delegierte – 426 Männer und 76 Frauen – kamen damals von 30. Jänner bis 1. Februar in der Wiener Stadthalle zusammen, um darüber zu entscheiden, wer Bruno Pittermann nachfolgen sollte.

Der Altparteichef war nach der Wahlniederlage im März 1966 ein geschlagener Mann, zum ersten Mal hatte die ÖVP die absolute Mandatsmehrheit errungen. "Verglichen mit 1967, wird die aktuelle Auseinandersetzung sehr mild geführt", sagt Oliver Rathkolb, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Wien. "Es hat damals viel heftiger gekracht."

Hausverbot für Kreisky

Es dauerte, bis die Kampfabstimmung Form annahm. Prädestiniert für den Vorsitz war Karl Waldbrunner, zweiter Nationalratspräsident und enger Vertrauter Pittermanns. Doch Waldbrunner war im Sommer 1966 erkrankt. Und während sich die Parteispitzen über eine Alternative den Kopf zerbrachen, machte Bruno Kreisky auf sich aufmerksam.

Kreisky als Anti-Establishment-Kandidat

In Bregenz wurde Kreisky schon im Oktober 1966 als künftiger Parteichef vorgestellt
In Bregenz wurde Kreisky schon im Oktober 1966 als künftiger Parteichef vorgestellt © APA/Screenshot

Obwohl sich Kreisky im Juni 1966 zum Vorsitzenden der niederösterreichischen Landespartei und im Oktober 1966 von der Bregenzer SPÖ als künftiger Bundesparteivorsitzender vorgestellt hatte, hatte der frühere Außenminister die Parteielite gegen sich. In seinen Memoiren erinnerte er sich, wie ihm Waldbrunner im Herbst 1966 Hausverbot in der Parteizentrale in der Löwelstraße auferlegte. "Ich habe mich rasch entschlossen, die paar 'Papierln' zusammenzupacken, und bin mit meiner Mitarbeiterin Margit Schmidt in die Zentrale der niederösterreichischen Landespartei in der Grillparzerstraße übersiedelt", heißt es in dem postum erschienen Buch.

Ohnehin sah sich Kreisky aufgrund seiner jüdischen Herkunft nicht als idealer Kandidat. Seine Religion würde zu sehr polarisieren, dachte der spätere Bundeskanzler. Schließlich entschied er sich im Dezember dennoch für die Kandidatur. Anfang Jänner erklären die Landesparteien in Niederösterreich, Oberösterreich und dem Burgenland nach langen Debatten, für Kreisky stimmen zu wollen.

"Anfangs war er der klare Außenseiter, da auch der ÖGB-Präsident Anton Benya gegen ihn auftragt", sagt der Historiker Rathkolb heute: "Kreisky stand für eine andere SPÖ, für Allianzen mit dem Bürgertum und den Bauern und für ein weltoffenes Österreich." Die Parteiführung fand lange keinen Kandidaten, schließlich schickte sie Ex-Innenminister Hans Czettel ins Rennen.

Attacke des ÖGB

Die innerparteilichen Spannungen traten am Parteitag offen zutage. ÖGB-Präsident Benya griff Kreisky vom Rednerpult aus an. Er würde Parteiinterna an Zeitungen weitergeben: "Vergiftung aus den eigenen Reihen", nannte Benya das. Kreisky wird indes "von starkem Beifall begrüßt", vermeldete die APA, die ihre Informationen von den Pressereferenten der Partei erhielt. Denn Medienvertreter waren am Parteitag 1967 nicht zugelassen.

Kreisky wies die Vorwürfe, er habe Geheimnisse an Redakteure ausgeplaudert, von sich. Oberösterreichs stellvertretender Landeshauptmann, Ludwig Bernaschek, eilte ihm danach zur Hilfe, er habe niemals einen sachlichen Grund gehört, warum Kreisky nicht Vorsitzender werden sollte, sagt er. 59 Redebeiträge gab es am 31. Jänner, bis 21 Uhr tagte das Gremium. Die Abstimmungen waren erst für den folgenden Tag angesetzt.

Deutliche Mehrheit

Am frühen Nachmittag des 1. Februars schlägt also die Stunde der Wahrheit. Der – am Vormittag gewählte – Parteivorstand wählt den Vorsitzenden: Kreisky erhält 32 der 54 Stimmen, Czettel nur 19. Danach wird Kreisky vom Plenum des Parteitags mit 347 Stimmen bestätigt.

"Ich wurde von den Bundesländern auf den Schild gehoben", schreibt Kreisky in seinen Memoiren und meint damit alle – mit der Ausnahme Wiens. Doch sogar die mächtigste Landespartei, die mit 118 Delegierten den mit Abstand größten Block stellte, war nicht kategorisch gegen Kreisky, Finanzstadtrat Felix Slavik ein Jugendfreund.

Der SPD-Vorsitzende Willy Brandt gratuliert kreisky per Telegramm
Der SPD-Vorsitzende Willy Brandt gratuliert kreisky per Telegramm © APA/Screenshot

Versöhnlicher Ausgang

Als Kreisky um kurz nach 16 Uhr als neuer Parteivorsitzender das Wort in der Wiener Stadthalle ergreift, sagte er gleich zu Beginn: "Ich hoffe, dass es mir möglich sein wird, allmählich auch das Vertrauen jener zu gewinnen, die jetzt noch gezögert haben, es mir zu geben."

Danach machte er sich daran, die Gräben zuzuschütten. Er überließ Pittermann den Posten des Klubobmanns im Parlament, zum Chefredakteur der parteieigenen "Arbeiter-Zeitung" machte er mit Paul Blau einen Mitarbeiter von ÖGB-Chef Benya.