Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entscheidet in den kommenden Monaten über das gesetzlich geschützte Recht der Gegendarstellung. So zumindest sieht es Ulrike Sima. Die Wiener Verkehrsstadträtin hat nämlich im Vorjahr einen Antrag beim VfGH eingebracht, um darüber zu entscheiden, ob Paragraf 17, Absatz 5 des Mediengesetzes rechtmäßig ist oder ob er, unter anderem, gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstößt.

Der Passus regelt Entschädigungen in Fällen, in denen Medienhäuser Gegendarstellungen veröffentlichten, diese aber von einem Gericht im Nachhinein von einem Gericht als unrechtmäßig eingeschätzt werden. Genau deswegen schuldet Sima der Mediengruppe Österreich 236.000 Euro. Der VfGH hat in seiner Vorschau angekündigt, den Fall im ersten Halbjahr 2023 zu prüfen.

Rauchverbot als Stein des Anstoßes

Aber der Reihe nach: Im Oktober 2019 berichtete "Österreich" über die hohen Personalkosten, die durch die Kontrollen des Rauchverbots in der Gastronomie, das im November 2019 eingeführt wurde, entstehen würden. Es ging um Feiertags- und Nachtzulagen und einen "warmen Geldregen", den die Kontrolleure des Wiener Marktamtes zu erwarten hätten. 24.000 Euro würde das in der ersten Nacht des Rauchverbots kosten, titelte die Zeitung.

Unsinn, erklärte Sima und klagte: Es hätten in dieser Nacht, also in jener von 31. Oktober auf 1. November, gar keine Kontrollen stattgefunden. Das Wiener Landesgericht gab der im Jänner 2020 Stadträtin recht, "Österreich" musste eine Gegendarstellung veröffentlichen.

236.000 Euro Schadensersatz

Dann ging die Zeitung in Berufung und hatte damit vor dem Oberlandesgericht im Oktober 2020 Erfolg. "Österreich" durfte den neuen Richterspruch veröffentlichen, Sima musste dafür – wie für ein Inserat – ebenso aufkommen wie für die nun unrechtmäßigen Gegendarstellungen. Mit 236.000 Euro bezifferte die Zeitung die Summe. Sima müsste sie persönlich und innerhalb eines Jahres zahlen, so steht es im Gesetz.

Dagegen richtet sich nun ihr VfGH-Antrag. Denn derartige Beträge würden die "Gefahr einer finanziell ruinösen Risikohaftung", wie das Höchstgericht den Antrag zitiert. Das sei Menschen, die zur Wahrung ihres guten Rufes eine Gegendarstellung erwirken möchten, nicht zuzumuten. Die Bestimmung würde gegen den Gleichheitsgrundsatz, das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und das Recht auf Privatleben verstoßen. Schon 2021 attestierte die Generalprokuratur der zweiten Instanz, die "Österreich" recht gegeben hatte, Formalfehler.