Im Rückblick wird wohl als größter Erfolg der krisengebeutelten türkis-grünen Regierung übrig bleiben, was im Windschatten der Teuerung gelungen ist, obwohl es nicht einmal im Regierungsprogramm stand. Ab 1. Jänner werden die Steuersätze an die Inflation angepasst, und zwar künftig jedes Jahr. Man zahlt also für einen größeren Teil des (durch Lohnabschlüsse steigenden) Gehaltes niedrigere Steuern. Gleichzeitig werden endlich auch Familien- und Sozialleistungen an die Inflation angepasst. Ab Jänner steigen also nicht nur die Pensionen automatisch, sondern auch Familien- oder Studienbeihilfe jedes Jahr. Viele Regierungen fanden in der Vergangenheit Gründe, warum das angeblich nicht geht. Mit dem Jahreswechsel geht es nun doch.
Noch eine große, wichtige Weichenstellung hat die Regierung im scheidenden Jahr vorgenommen: Mit der Pflegereform ist ihr mehr gelungen, als all ihren Vorgängerregierungen. Sie bringt spürbare Entlastungen für das Personal. Die Abschaffung der kalten Progression, die Anpassung von Sozialleistungen, die Gehaltserhöhungen fürs Pflegepersonal: Keine nachfolgende Regierung wird es sich realpolitisch leisten können, diese Entscheidungen wieder rückgängig zu machen.
Milliardenausgaben ohne Gegenfinanzierung
Kaum jemand in Österreich profitiert nicht davon. Und kaum jemand zahlt drauf. Da ist das Problem an der Sache. Denn die großen Reformen, sie kosten Geld: Die Pflegereform eine Milliarde im Jahr, die Valorisierung der Sozialleistungen vier Milliarden in den nächsten vier Jahren, die Abschaffung der kalten Progression 20 Milliarden bis 2026. Wo all das Geld – und die 37 Milliarden, die die Regierung für Entlastungsmaßnahmen gegen die Teuerung ausgibt – herkommen soll, bleibt komplett offen. Ein Umbau des überschießend teuren Pensionssystems? Eine weitreichende Arbeitsmarktreform? Vermögenssteuern? Ein deutlich höherer Preis für den Ausstoß von schädlichen Treibhausgasen? Ein Entwirren des Finanzierungs- und Kompetenzengeflechts zwischen Bund, Ländern und Gemeinden? Von keiner einzigen Strukturreform, die all die Ausgaben gegenfinanzieren könnte, ist auch nur die Rede.
Wer in Regierungskreisen fragt, warum die Zustimmung zu ÖVP und Grünen in der Bevölkerung gar so gering ist – in Umfragen stehen die Regierungsparteien gemeinsam bei rund 30 Prozent – wird schnell auf die politische Großwetterlage verwiesen: Krisen, für die man nicht verantwortlich sei, würden die eigenen Erfolge überlagern. Und die Korrektur falscher Entscheidungen der Vergangenheit – etwa die massive Abhängigkeit von Erdgas, besonders aus Russland – sei eben eine undankbare Aufgabe. Der Befund ist nicht falsch und greift doch zu kurz. Es verdient Anerkennung, dass trotz der Krisen große Weichenstellungen gelingen. Sie werden aber nicht ausreichen. Noch bleibt dieser Regierung ein wenig Zeit, um mehr Positives zu schaffen als nur neue Altlasten anzuhäufen.
Veronika Dolna