Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) pocht darauf, dass Migranten, die über Ungarn in Richtung Österreich kommen, auch von Ungarn registriert werden. "Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass alle Staaten geltendes EU-Recht einhalten müssen, auch die Ungarn", sagte Edtstadler in einem Interview mit der APA. Zuletzt hatte sich ihr Parteikollege Kanzler Karl Nehammer in Sachen Migration eher um eine freundschaftliche Kooperation mit dem ungarischen Premierminister Viktor Orbàn bemüht.
Die Migranten kämen "aus Ungarn über unterschiedliche Routen zu uns, manche auch über Rumänien und Bulgarien, und sind noch nicht registriert, obwohl sie durch ein oder vielleicht sogar mehrere Schengen-Länder gereist sind", sagte Edtstadler. "Hier setzen wir uns dafür ein, dass jeder Staat dieses EU-Recht einhält und dass Registrierungen vorgenommen werden." Man müsse aber schauen, was Ursache und was Wirkung sei. Deshalb verfolge Österreich einen Ansatz mit einem Bündel von Maßnahmen, auch mit der entsprechenden Unterstützung der Länder an der EU-Außengrenze.
Gemeinsame Aktionen mit Ungarn
"Wenn es um die Frage Migration und Asylpolitik geht, dann gibt es nur eine Antwort. Es kann nur eine solidarische, gemeinsame sein. Da lasse ich auch niemanden aus der Pflicht, was das Einhalten von geltenden Gesetzen betrifft", so Edtstadler in Hinblick auf die Registrierungspflicht. Sehr wohl sei dieser Appell in Richtung Ungarn gestartet worden. "Auf der anderen Seite muss man natürlich auch sehen, dass wir jetzt gemeinsame Aktionen mit den Ungarn umsetzen, wo zum Beispiel gemischte Streifen auf ungarischem Terrain jene Menschen anhalten, die noch nicht registriert sind. Und ich gehe davon aus, dass hier auch alles EU-rechtskonform abgewickelt wird."
Wegen der gestiegenen irregulären Migration hat Österreich ein Veto gegen den Beitritt von Rumänien und Bulgarien zum grenzkontrollfreien Schengenraum eingelegt. Es habe heuer mehr als 100.000 illegale Grenzübertritte nach Österreich gegeben, davon seien 75.000 nicht registriert gewesen, argumentierte die Bundesregierung.
"Milestones" sollen erfüllt werden
In Hinblick auf die Sperre von 6,3 Milliarden Euro für Ungarn aus dem EU-Gemeinschaftshaushalt wegen Rechtsstaatsbedenken sagte Edtstadler: "Für mich ist ganz klar, dass sich der Rechtsstaatlichkeitsmechanismus, der jetzt erstmals zur Anwendung kam, schon bewährt hat. Denn wir haben gesehen: Es gibt tatsächliche Bedenken im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit. Die Sprache, die jetzt gesprochen wird, nämlich Geld einzufrieren, führt dazu, dass diese Reformen wirklich zu Ende gegangen und umgesetzt werden." Auf die Frage, ob sich der ungarische Premierminister Viktor Orban mit seiner versuchten Blockade wichtiger EU-Beschlüsse verkalkuliert habe, sagte die Europaministerin: "Das ist eine Frage, die er für sich beantworten muss."
Edtstadler sagte, sie gehe davon aus, dass Ungarn alle geforderten Rechtsstaatsreformen - sogenannte "Milestones" - erfüllen und die EU-Kommission darüber wachen werde. "Ich habe vollstes Vertrauen in die EU-Kommission, die Hüterin der Verträge ist und vorgeschlagen hat, weitere Gelder einzufrieren. Es haben alle bis auf Ungarn diesem Beschluss zugestimmt."
Man habe umgekehrt anerkannt, dass Ungarn schon Schritte eingeleitet habe. "Aber bis sie vollständig umgesetzt sind, braucht es eben noch den Nachweis dafür." Deshalb sei es wichtig, dass diese 55 Prozent der Gelder, die bis 2027 für Ungarn vorgesehen sind, eingefroren bleiben. Zum anderen gehe es um Mittel für Ungarn aus EU-Wiederaufbaufonds, konkret um 5,8 Milliarden Euro. "Dabei geht es ja darum, auch die Wirtschaft wieder anzukurbeln, damit entsprechende Schritte gesetzt werden können, die im Übrigen nach dem Vorstoß der 'Frugalen Vier' (Österreich, Niederlande, Schweden, Dänemark, Anm.) erst nach dem Erreichen klar definierter Milestones ausgezahlt werden. Das ist auch ein Sicherheitsmechanismus. Nur wenn diese Milestones erreicht werden, wird Stück für Stück auch das Geld ausgezahlt. Insgesamt wollen wir aber natürlich erreichen, was die Zielsetzung war, nämlich die Wirtschaft wieder anzukurbeln."