Die jährliche Rede des Bundespräsidenten zum Nationalfeiertag fand heuer in ungewohnter Umgebung statt: Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen lud zu einem Blick hinter die legendäre Tapetentüre der Hofburg: "Transparenz schadet nie", erklärte der Bundespräsident – und gab damit auch der Regierung einen Wink mit der Tapetentüre.

Das Ungewöhnliche sei normal geworden, sagte Van der Bellen beim Gang durch seine Arbeitsräume. Ob "krisenhafte innenpolitische Ereignisse wie den Ibiza-Skandal oder die unrühmliche Chat-Affäre" auf innenpolitischer, oder Pandemie, Ukraine-Krieg und Klimanotstand auf globaler Ebene: "Die Welt ist instabiler geworden. Die Zeiten stürmischer. Und die Ereignisse und die Art, wie wir ihnen begegnen können, uneindeutiger", so Van der Bellen.

© Hofburg/Peter Lechner

Viele kleine Lösungsschritte

Die "eine große, einfache Antwort, die alles löst", gebe es nicht, sagte das Staatsoberhaupt: "Aber es gibt viele". Kleine Handlungen könnten in Summe die Antwort ergeben, daher müsse man "probieren, lernen, neu denken, neue Lösungen im Konstruktiven finden. Die Uneindeutigkeit aushalten. Und uns auf die Dinge verlassen, auf denen unsere Gesellschaft gebaut ist" – etwa Menschenrechte, Demokratie und den Rechtsstaat.

Gleichzeitig würde die Neutralität Österreich Orientierung geben und Solidarität und Zusammenhalt Österreich und Europa einen. "Wir lassen als Gesellschaft niemanden zurück". Das müsse auch für jene gelten, die nach uns kommen, forderte das Staatsoberhaupt einmal mehr starke Klimaschutzmaßnahmen ein. Auch sonst solle sich Österreich an seinen Kindern orientieren und so wie sie "nicht aufhören, dazuzulernen", findet der 78-Jährige. Gleichzeitig solle man konstruktiv bleiben und den Blick nach vorne "auf die Lösung" richten: "Wenn wir uns alle gemeinsam an diese Prinzipien halten, dann sind wir als Gemeinschaft widerstandsfähig und können alles schaffen".

Doch, um das auch abzusichern, brauche es "integre Politikerinnen und Politiker", mahnte der Bundespräsident – und forderte einmal mehr mahnte Reformen ein: Damit sich die Bevölkerung darauf verlassen kann, dass Politiker "niemals zum eigenen oder zum Vorteil der eigenen Seilschaften" handeln, brauche es Gesetze und Regeln und "auch mehr Präventionsmaßnahmen".

Gesetzte Zeichen am Nationalfeiertag

Schon vor seiner Ansprache an die Nation hatte das Staatsoberhaupt am Nationalfeiertag klare Zeichen gesetzt: Seine Rede bei den Feierlichkeiten am Heldenplatz nutzte Van der Bellen, um auf die "rigorose" Sparpolitik der letzten Jahre hinzuweisen, die "sichtbare Spuren" am Bundesheer hinterlassen habe und die Sicherheit des Landes und der Soldaten gefährde.

Das Bundesheer bereitet seinem Oberbefehlshaber Van der Bellen Sorgen
Das Bundesheer bereitet seinem Oberbefehlshaber Van der Bellen Sorgen © APA/FLORIAN WIESER

Am Nachmittag entschied sich der Bundespräsident dann für eine Änderung des traditionellen Programms: Statt die Hofburg für alle Bürgerinnen und Bürger zu öffnen und Hunderten Menschen die Hand zu schütteln, lud er als Symbol der besonderen Wertschätzung Vertreter und Vertreterinnen ziviler Organisationen zu sich.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Roten Kreuzes, Krankenhauspersonal, Altenpflegerinnen und -pfleger, freiwillige Feuerwehren und Elementarpädagoginnen und -pädagogen konnten dadurch in der Hofburg in einen Austausch mit dem Staatsoberhaupt treten und eigene Forderungen einbringen.

Offene Tür im Kanzleramt

Einen uneingeschränkten Tag der offenen Tür beging das Bundeskanzleramt – und war angesichts des Besucheransturms überrascht. Bereits vor der Öffnung um 12 Uhr hatte sich eine Hunderte Meter lange Schlange auf dem Ballhausplatz gebildet. Entgegen setzte man dieser die Ministerinnen Susanne Raab, Karoline Edtstadler und Staatssekretärin Claudia Plakolm (alle ÖVP), die die Besucher in den unterschiedlichen historischen Räumen empfingen.

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Zum Finale ging es ins Kanzlerbüro, wo Nehammer eine Zeit lang persönlich die Symbolik der Einrichtung erklärte. Das Haus gehöre der Bevölkerung, betonte der Regierungschef dabei. Die Politik habe sich dieses lediglich "geborgt". Auch zum Wiederaufbau der Institution nach dem Zweiten Weltkrieg wusste Nehammer einiges zu berichten. Und entsprach auch dem bei manchen Besuchern vordringlichsten Wunsch: Selfies mit dem Kanzler.