Wien und seine führende SPÖ unter Michael Ludwig auf der einen Seite, der Bund und die ÖVP unter Sebastian Kurz und nunmehr Karl Nehammer auf der anderen: Das waren in den vergangenen Jahren zwei Modelle politischer Führung, die einander quer gegenüberstanden – spätestens seit Ludwig 2020 seine Grünen-Koalitionspartner zugunsten der Neos entsorgt hatte.

Besonders sichtbar war das in der Pandemiebewältigung, wo sich Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) als Opposition zu Türkis-Grün gab: Anfangs als Kritiker übertriebener Maßnahmen, später als Schirmherr des Wiener Sonderweges mit strengeren Maßnahmen als im Rest der Republik.

Eine Rolle, die den Wienern bisher mehr Applaus einbrachte als dem Bund – was auch eine Rolle dabei gespielt haben dürfte, dass die Umfragewerte die SPÖ zuletzt auch im Bund obenauf sahen, während die ÖVP nach den Enthüllungen rund um die Ära Kurz abstürzte.
Diese Woche kam das Wiener Image aber kräftig ins Wanken: Seit bekannt geworden war, dass die stadteigene Wien Energie – als einzige Landesenergiegesellschaft – nach üppiger Unterstützung durch die Stadt einen schnellen Milliardenkredit des Bundes brauchte, ist Feuer am roten Dach. Ausgerechnet in der "Daseinsvorsorge", dem Kern des "Roten Wien", steht Spekulation im Raum.

In der ÖVP versucht man eine zweigleisige Strategie: Im Bund gaben sich Nehammer und Finanzminister Magnus Brunner konstruktiv, der Kredit wurde gewährt. In der Partei dagegen machte man den "SPÖ-Skandal" schnell zum Politthema – und leitet mit der FPÖ in Wien eine Untersuchung ein.

Wird das reichen, den Absturz der ÖVP zu bremsen? Besagte Kommission und diverse Rechnungshofberichte zur Causa Wien Energie werden das Thema in den kommenden Monaten jedenfalls präsent halten. Die rote Horrorwoche mag vorbei sein – der Kampf um die Deutungshoheit darüber hat erst begonnen.