Anfang 2020 arbeitete das Land Steiermark an neuen Regeln für Weinbäurinnen und Weinbauern. Eine Neuerung: Die Kontingente für neu ausgepflanzte Weingärten sollten auf maximal zwei Hektar pro Antragsteller beschränkt werden, um Markt und Qualität steirischen Weins zu schützen.
Besonders betroffen von dieser Regelung: Prominente Investorinnen und Investoren, die sich in der Südsteiermark große Weingüter (aus-)bauen wollen. Bei einem davon läutet am 20. Februar 2020 das Telefon. Am anderen Ende ist niemand geringerer als Agrarlandesrat Johann Seitinger (ÖVP), über den Inhalt des Gesprächs gibt es unterschiedliche Auffassungen.
Aktenvermerk: Seitinger werde Novelle "zurückhalten"
Die eine ist die, die die Staatsanwaltschaft Graz später in einem Vorhabensbericht an das Justizministerium melden wird, der der Kleinen Zeitung vorliegt. Denn das Gespräch wurde abgehört, und die Staatsanwaltschaft interpretiert das Gehörte so: Seitinger empfiehlt dem Investor, schnellstens sein gewünschtes Kontingent für ein Weinbaugebiet von ca. 5,7 Hektar zu beantragen, weil das mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes nicht mehr möglich sein werde. Seitinger "werde die geplante Novelle des Landesweinbaugesetzes noch zurückhalten", dokumentiert die Staatsanwaltschaft Graz, er ersuche "um ehestmögliche Antragstellung, zumal er „irgendwann das Weinbaugesetz zulassen muss“."
Seitinger, von der Kleinen Zeitung gefragt, ob es vertretbar sei, dass ein Landesrat ein Gesetzesvorhaben mit einem Prominenten vorab bespricht und ihm verspricht, besagtes Vorhaben zu seinen Gunsten zurückzuhalten, erklärt durch einen Sprecher, „die Optik mag auf den ersten Blick natürlich irritierend wirken“. Auf den zweiten Blick sei das aber „absolut undramatisch“, denn einerseits sei der Inhalt der Novelle zum Zeitpunkt des Telefonats schon öffentlich bekannt gewesen. Zum anderen – was das „Zurückhalten“ angeht – sei „festzuhalten, dass der gesamte Gesetzgebungsprozess OHNE Verzögerungen – insbesondere durch den Herrn Landesrat, oder die zuständige Abteilung – stattgefunden hat.“
Die Begutachtung zu dem Gesetz sei im Oktober 2019 zu Ende gegangen, am 22. Jänner und 27. Februar – eine Woche nach dem Telefonat – habe Seitinger Gespräche mit der Fachabteilung zu den neuen Regeln geführt. Ende April hat die Landesregierung das Gesetz dem Landtag vorgelegt, wo es im September beschlossen wurde.
Es gebe also „weder ein juristisches, noch ein moralisches Fehlverhalten“ des Landesrats, so sein Sprecher. Wie üblich habe Seitinger im Vorfeld mit unzähligen Weinbauern über die Novelle gesprochen.
Wolf: "Lügen, gegen die ich mich zu wehren gedenke"
Eine andere Auffassung über den Verlauf des Gesprächs hat der Weinbauer, mit dem Seitinger an jenem 20. Februar telefoniert hat: Unternehmer Siegfried Wolf, dessen Telefon damals in einer anderen Causa auf Anordnung der WKStA überwacht worden war – illegal, sagt Wolf – betont im Gespräch mit der Kleinen Zeitung: „Mir hat der Landesrat keine Verschiebung des Gesetzes angetragen“ – wer anderes behaupte, verbreite Lügen, gegen die er sich „mit allen Mitteln“ zu wehren gedenke.
Korrekt sei, dass er mit Seitinger der Kontingente für sein Weingut wegen telefoniert habe – letzten Endes habe er aber gar keinen Antrag gestellt, sondern eine „andere Lösung“ gefunden.
Ad acta gelegt hat die ganze Sache auch die Staatsanwaltschaft: Es bestehe kein Verdacht des Amtsmissbrauchs, weil Seitinger hier nicht in Verwaltungssachen gehandelt habe, sondern in Vorbereitung der Landesgesetzgebung.