Das Auffinden extremistischer Literatur in Buchhandlungen und bei Messen oder die Identifikation bedenklicher Predigten in einer Wiener Moschee zählt die Dokumentationsstelle Politischer Islam in ihrem am Freitag veröffentlichten ersten Jahresbericht zu ihren Erfolgen. Außerdem werden darin die wichtigsten Organisationen von der Muslimbruderschaft über Milli Görüs und den Grauen Wölfen bis zur Gülen-Bewegung kurz beleuchtet.
Der "Österreichische Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus" wurde 2020 gegründet, Jahresberichte sollen künftig jährlich erscheinen. Neben Forschungsarbeiten soll die Stelle auch bedenkliche Entwicklungen dokumentieren.
Unter anderem wurden im Zuge der Tätigkeit Inhalte von Publikationen analysiert, die aufgrund ihres Titels oder Autors eine Nähe zum Netzwerk des Politischen Islams vermuten lassen. Vorgenommen hat man sich dabei zunächst den der türkischen Saadet-Partei bzw. der Milli Görüs-Bewegung zugeordneten Verlag MGV Publications bzw. seine angegliederte Buchhandlung in Wien-Fünfhaus (wobei sich die Organisationen von diesem teils distanzieren). Unter anderem wurden dort Bücher in türkischer Sprache mit klar antisemitischen Aussagen gefunden – einerseits von einschlägigen islamistischen Autoren wie Yusuf el-Karadivi, andererseits aber auch Übersetzungen von Reden und Schriften von Joseph Goebbels.
"Den" politischen Islam "gibt es nicht"
"Hier zeigen sich auch stellenweise Berührungspunkte von Antisemitismus, politischem Islam und nationalsozialistischen Ideen", meinte die Leiterin der Dokumentationsstelle, Lisa Fellhofer, vor Journalisten. "Da muss man genauer hinschauen. Wir haben entsprechend informiert – jene, die es betrifft und auch Behördenvertreter."
Ganz generell könne man nicht sagen, dass es über den Kamm geschert "den" politischen Islam gebe, betonte Feldhofer. "Es existieren verschiedene Ausprägungen, die zum Teil in Konkurrenz zueinander stehen. Dann gibt es aber auch wieder Überlappungen, die Struktur ist sehr komplex." Strenge Salafisten würden alle anderen Auslegungen des Islam ablehnen, während umgekehrt die Muslimbruderschaft nicht von den Salafisten begeistert sei. Innerhalb des Salafismus würden wiederum unterschiedliche Strömungen existieren.
Was diese Akteure aber vereine, seien ideologische Hintergründe, meinte Fellhofer. "Das heißt nicht, dass alle alles gleich verwenden. Aber man versucht etwa, Meinungspluralismus oder den Rechtsstaat infrage zu stellen. Feindbilder sind oft der liberale Rechtsstaat oder der Westen an sich."
Generell hat Fellhofer den Eindruck, dass zuletzt explizite Aussagen von Vertretern des politischen Islam abgenommen hätten. Oft werde aber implizit versucht zu polarisieren. Näheres dazu könne sie aber nicht sagen, dazu laufe gerade ein Feldforschungsprojekt.
Aufrufe zur Segregation
Im Rahmen eines anderen solchen Projekts hat man laut Jahresbericht auch Kenntnis von bedenklichen Predigten in deutscher Sprache in einer Moschee in den Räumlichkeiten des ehemaligen Afroasiatischen Instituts in Wien-Alsergrund erhalten. Nach Einschätzung der Dokumentationsstelle sind die Prediger der Muslimbruderschaft zuzurechnen, unter anderem wurden antisemitische Motive verwendet und zur Segregation aufgerufen – etwa in der Form, dass bei Konflikten unter Muslimen nicht die Polizei gerufen werden solle.
Die Dokumentationsstelle habe daraufhin die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) informiert, die wenig später mit der Einsetzung eines neuen Imams reagierte. "Das zeigt, dass die IGGÖ sich durchaus um diese Dinge kümmert", so Fellhofer. Die Beziehung zur Glaubensgemeinschaft sei insgesamt noch immer unterkühlt, aber besser als noch vor einem Jahr, meinte Fellhofer auf eine entsprechende Frage. "Die Türen zum Gespräch sind offen." Die Dokumentationsstelle sei auch zur Unterstützung der Musliminnen und Muslime da.