Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) muss für mehrere Wochen in den Krankenstand. Der offene Umgang mit der Erkrankung von Politikern ist relativ neu, kranke Politikerinnen und Politiker waren lange ein Tabu. Geheim gehalten wurde etwa das Nierenleiden von Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ), das ihn Anfang der 1980er-Jahre regelmäßig zur Dialyse zwang. Außenminister Alois Mock (ÖVP) versuchte, seine Parkinson-Erkrankung zu überspielen.
Das hat sich geändert: Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) ging 2011 nach einer Lungenembolie. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (beide SPÖ) machten ihre Krebserkrankungen öffentlich, gaben ihre Ämter aber nicht auf. Bundespräsident Thomas Klestil blieb ebenso trotz einer Lungenembolie 1996. Nachdem er zwei Herzinfarkte erlitten hatte, starb er 2004, zwei Tage vor Ende seiner zweiten Amtszeit.
Psychischer Druck
Nun sind körperliche Leiden schwer direkt mit der Politik in Verbindung zu bringen, psychische Belastung aber umso mehr. Risikofaktoren für die Entwicklung eines Burnouts lesen sich teils wie die Berufsbeschreibung für Spitzenpolitiker: Arbeitsüberlastung, Zeitdruck, fehlende Wertschätzung und ständige Erreichbarkeit sind wohl zu erwarten. Gerade in Krisenzeiten können von außen vorgegebene, unerreichbare Ziele hinzukommen, zusammen mit einem Mangel an Einfluss auf Arbeitsgestaltung. Es kommt zu Wertekonflikten, da Aufgaben erledigt werden müssen, die nicht dem eigenen Wertesystem entsprechen.
Unbehandelt kann der dauerhafte Stress gravierende Folgen haben. Auch Ferien und Erholungszeit wird nicht mehr als solche betrachtet, Gereiztheit und Pessimismus machen sich bemerkbar. Mit der Zeit können sich auch körperliche Symptome von Verspannungen über ein geschwächtes Immunsystem bis zu Schlafstörungen und Kreislaufproblemen inklusive Herzrasen und Blutdruckstörungen zeigen. In der letzten Stufe – der Stressdepression – kann die Erkrankung aufgrund des Verlusts des Lebenswillens auch tödlich enden.
Die Spitzenpolitik – und das Umfeld allgemein – mache allein aber "sicher nicht" krank, sagt der systemische Psychotherapeut Bernhard Diwald vom Institut für Burnout-Prävention (iBOP) in Graz, "aber ein ungeeigneter Umgang mit den Herausforderungen, die einem zuteilwerden". Es werde oft versucht, Personen zu den besten Leistungen zu motivieren, dabei werde aber vergessen, dass Menschen über Anerkennung und Wertschätzung motiviert werden würden – "und dafür brauchen wir andere Menschen".
Anschober musste "Notbremse ziehen"
Psychische Belastung von Politikern wurde durch Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) enttabuisiert. Anschober war schon als Landesrat in Oberösterreich 2012 in Auszeit gegangen, weil er an einem Burnout litt. Im März 2021 stand sein Körper erneut am Limit: Bereits Anfang März hatte der Gesundheitsminister steigende Blutdruckwerte, Zuckerwerte und beginnenden Tinnitus, ein Kreislaufkollaps war die Folge.
Danach habe er es noch einmal versucht, die Probleme seien aber wiedergekommen, berichtete er bei seinem Rücktritt: Er habe "die Notbremse ziehen müssen". Ärzte hätten ihm zu einer Auszeit geraten. Nur wenige Tage zuvor hatte es geheißen, ein Rücktritt sei "kein Thema". Aus seiner Erfahrung mit Betreuung und Coaching von Führungskräften mache es in den wenigsten Fällen Sinn, nach einer Auszeit in dieselbe Leitungsposition zurückzukehren, sagt der Psychotherapeut Diwald: "Es funktioniert auch meistens nicht". Man könne eine Auszeit durchaus als Crisis-Management betrachten, um die Situation nicht weiter zu verschlimmern, so Diwald, "aber die Themen wiederholen sich".
Anschobers Nachfolger, Wolfgang Mückstein (ebenfalls Grüne), legte das Amt nach weniger als einem Jahr zurück. "Ich kann nicht mehr 100 Prozent leisten", sagte er bei seinem Rücktritt Anfang März. Die persönliche Belastung, auch durch ständige Drohungen gegen ihn und seine Familie, sei zu viel geworden. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) nannte zwar keine gesundheitlichen Gründe, sprach aber ebenfalls über die besondere Belastung durch die Pandemie und Drohungen gegen sich und seine Familie.
Auch der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) tritt auf "dringenden ärztlichen Rat" einen mehrwöchigen Krankenstand an, will aber in der Politik bleiben. Das Amt der Vorarlberger Landesregierung nennt als Gründe die "ungewöhnlichen Anstrengungen" der letzten Monate von Krisenbewältigung bis zu den Vorwürfen in der Causa Wirtschaftsbund.