Lange wurde koalitionsintern scheinbar nicht über eine mögliche Verlängerung des Grundwehrdienstes diskutiert. Anfang März hatte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) noch vorsichtig erwogen, das Modell "sechs plus zwei" und damit die verpflichtenden Truppenübungen wieder einzuführen, um die Wehrhaftigkeit der Republik zu erhöhen. Zumindest wolle man das prüfen.
Für den grünen Koalitionspartner ist die Verlängerung des Grundwehrdienstes von sechs auf acht Monate jedenfalls ein "No-Go", wie Wehrsprecher David Stögmüller am Montag bekräftigte. Und auch Tanner räumt jetzt ein, dass damit der Zivildienst ebenso wieder von neun auf zwölf Monate ausgedehnt werden müsste. "Das sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht", sagt die Ministerin, die sich zudem wenig Verständnis bei der Wirtschaft erwartet.
Die Österreichische Offiziersgesellschaft hatte schon am Wochenende ihr Unverständnis über Tanners Entscheidung gegen verpflichtende Truppenübungen im Anschluss an den Präsenzdienst geäußert. Die Absage durch die Ministerin konterkariere damit alle Beteuerungen, dass die Landesverteidigung in Österreich wieder ernst genommen wird, heißt es in einer Aussendung "Österreich ist und bleibt ein Trittbrettfahrer kollektiver Sicherheitsstrukturen und leistet selbst nur einen lächerlichen Beitrag für den Schutz des Landes", erklärte Brigadier Erich Cibulka, Präsident der Offiziersgesellschaft.
Hintergrund: Österreichs Armee stützt sich im Einsatzfall theoretisch auf rund 25.000 Milizsoldaten ab. Nachdem aber 2006 die verpflichtenden Truppenübungen für Grundwehrdiener abgeschafft wurden, gibt es zu wenig übungspflichtige Milizsoldaten. Nur wer sich freiwillig meldet, kann als "Soldat im Zweitberuf" zu Übungen eingezogen werden.
Bericht bestätigt Personalmangel
Die Miliz solle dennoch mehr üben, sagt Ministerin Tanner und setzt weiterhin auf Anreizsysteme, um vor allem Grundwehrdiener für eine spätere Milizlaufbahn anzuwerben. Nur haben neue Anreizprämien bisher kaum Wirkung gezeigt, wie auch der am Montag veröffentlichte Bericht der Parlamentarischen Bundesheerkommission darstellt. Vorsitzender Reinhard Bösch (FPÖ) sprach in diesem Zusammenhang von einer "dramatischen Personalnot" nicht nur im aktiven Bereich, sondern auch in der Miliz. Zwar habe man die Freiwilligenprämie eingeführt, das "hat aber die bisherige Personalsituation bei der Miliz nicht nachhaltig verbessert", so der Abgeordnete Friedrich Ofenauer (ÖVP). Der Gesamtbedarf bei den Offizieren bei der Miliz kann laut Bericht derzeit nur zu rund 55 Prozent, bei den Unteroffizieren nur zu 40 Prozent abgedeckt werden.
Im Aktivkader steht zudem in den nächsten zehn Jahren eine Pensionierungswelle an, wodurch die Personalstruktur dort weiter angespannt sein werde. In Teilbereichen seien schon jetzt Verluste von Know-how und Kapazitätsengpässe zu verzeichnen, sagte Ofenauer.
294 Beschwerden im Vorjahr
Im Vergleich zu 2020 gingen die Beschwerden an die Bundesheerkommission im Vorjahr um rund die Hälfte zurück. Das erklärt sich daraus, dass die ungleiche Bezahlung und Freizeitregelungen im Zuge des 2020 begonnenen Covid-19-Assistenzeinsatzes gelöst wurden.
Insgesamt gab es im Vorjahr 2612 Anfragen und Rechtsauskünfte durch die Kommission. Von den 294 Beschwerden entfielen 16 Prozent auf Rekruten, 40 Prozent auf Chargen, 14 Prozent auf Unteroffiziere, fünf Prozent auf Offiziere und 25 Prozent aus "Sonstige" (etwa anonyme Einbringung).
Die Mehrzahl der Beschwerden (41 Prozent) betraf die Ausbildung und den Dienstbetrieb, dahinter folgte mit 23 Prozent der Bereich "Personalangelegenheiten". Neben Beschwerden, etwa hinsichtlich der
Ausrüstung oder Unterbringung, betrafen auch 2021 wieder einige
"divergierende Auslegungen von Covid-19-Schutzbestimmungen",
berichtete Ofenauer.
Wie auch seine Kollegen Robert Laimer (SPÖ) und Bösch begrüßte Ofenauer die grundsätzliche Ankündigung der Regierung, künftig das Heeresbudget wieder zur erhöhen. Konkrete Zahlen konnte Ofenauer nicht nennen, auch zum Zeitrahmen verwies der ÖVP-Abgeordnete auf die laufenden Gespräche mit dem Grünen Koalitionspartner.