Es war ein Termin, wie es ihn nur selten gibt – und fand wohl nicht zufällig erst nach dem Superwahlwochenende statt. Der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) und Finanzminister Gernot Blümel, in der Hauptstadt als Chef der Stadt-ÖVP eigentlich in Opposition, traten gemeinsam auf und demonstrierten Einigkeit: Natürlich werde der Bund (wie schon bisher) die Hälfte der 3,7 Milliarden Euro an Kosten für den Ausbau der Wiener U-Bahn tragen.

Seltenheitswert hat ein solcher Auftritt, weil die ÖVP mit Wien im Speziellen und Städten im Allgemeinen nicht das einfachste Verhältnis hat – erst vergangene Woche tadelte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger etwa die Bundeshauptstadt ihrer Covid-Zahlen und verschärften Maßnahmen wegen (obwohl z. B. Oberösterreich zu dem Zeitpunkt weit schlechtere Zahlen hatte).

Land schwarz, Stadt nicht

Allgemein gilt: Blickt man auf Karten der Wahlsieger nach Bezirken, erstrahlt Österreich meist in tiefem Schwarz oder hellem Türkis. Oft bilden aber gerade Städte aber kleine Inseln, in denen die Volkspartei nicht Wahlsieger ist. Gerade auf Gemeindeebene schneidet die ÖVP dort eher schlecht ab. Das zeigt nicht nur die Niederlage in Graz. So gewann die Volkspartei bei der Landtagswahl in Oberösterreich zwar die Hauptstadt Linz knapp, in der Wahl zum Gemeinderat liegt sie dort aber mit 18 Prozent weit hinter dem Wahlsieger SPÖ mit 34 Prozent.

Die relative Schwäche der ÖVP im urbanen Raum zieht sich durch ganz Österreich: Nach dem wahrscheinlichen Verlust des Bürgermeisteramts in Graz werden nur noch zwei der neun Landeshauptstädte schwarze Bürgermeister haben. Harald Preuner in Salzburg und Thomas Steiner in Eisenstadt halten die Flagge der Volkspartei hoch. Die frühere rote Hochburg Salzburg konnte aber nur durch einen Finanzskandal rund um Ex-SPÖ-Bürgermeister Heinz Schaden erobert werden, das kleine Eisenstadt dient mit seinen rund 15.000 Einwohnern schwer als Paradebeispiel für eine Großstadt.

Leben ohne der Partei

Keine große Überraschung ist das für Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik von der Universität Wien: "Überraschend ist eigentlich nicht, dass die ÖVP in Graz nur jeder vierte gewählt hat – sondern dass sie davor mehr als 30 Prozent bekommen hatte". Zwei Gründe gebe es dafür; "Die Städte waren schon immer schwieriges Territorium für christlichsoziale Parteien", sagt Ennser-Jedenastik: Nicht nur, dass die städtischen Milieus für solche Parteien wenig affin sind – weniger religiös, nicht im agrarischen Sektor tätig, tendenziell eher liberal und politisch mobil –, die ÖVP habe im städtischen Raum auch Organisationsdefizite.

"In Niederösterreich in einer Landgemeinde kennt fast jeder jemanden, der bei der ÖVP ist", so der Politikwissenschaftler – "in Wien kann ich mein Leben leben, ohne jemals irgendwie mit der Partei in Kontakt zu kommen". Das beraube gerade die ÖVP eines starken Mobilisierungsfaktors – nämlich, dass man eine Vielzahl von Wählern direkt ansprechen kann.

Besondere 20 Prozent

An diesen Voraussetzungen ändere auch nichts, dass die ÖVP bei überregionalen Wahlen – unter Stelzer in Linz etwa, oder Kurz bei der Nationalratswahl in Wien – gute Ergebnisse bekomme: Generell bewegten sich solche Effekte parallel zum Gesamttrend auf Bundes- oder Landesebene.

Mit Konsequenzen aus Graz tut sich die Wiener VP schwer. Die Wahl in der Bundeshauptstadt sei erst ein Jahr her, bis zur nächsten könne viel passieren, sagt Blümel am Rande der Pressekonferenz. Das Ergebnis in Graz sehe er als Lehre, wie besonders der Zuwachs 2020 in Österreichs größter Stadt gewesen sei. Zur Erinnerung: Damals hat die Wiener ÖVP ein Fünftel der Stimmen erhalten.