Es ist ja nicht so, dass Österreich es nicht versucht hätte: Von Beginn der Pandemie an hatte die Politik große digitale Werkzeuge versprochen, um Corona unter Kontrolle zu bringen.

Aber was auch geschah, es blieb der Wurm drin: Dashboards, die in Echtzeit die Pandemie-Lage abbilden sollten, lieferten falsche oder unvollständige Daten. Die vom Roten Kreuz entwickelte „Stopp Corona“-App kam nicht einmal in die Nähe großflächiger Abdeckung, von Bundeskanzler Sebastian Kurz angekündigte „Tracking-Schlüsselanhänger“ kamen überhaupt nie. Das als „Amazon-Konkurrent“ angepriesene „Kaufhaus Österreich“ musste eingestampft werden. Für die Impfanmeldung bauten die Länder eigene Plattformen.

War dieses Scheitern vorprogrammiert? Fünf Thesen, warum Österreich kein großer Digitalisierer ist.

1 Politischer Wille

„Ich habe den Eindruck, dass man in Österreich bemüht ist, Dinge sehr schnell anzukündigen, und die technischen und rechtlichen Implikationen unterschätzt“, sagt Nikolaus Forgó, Leiter des Instituts für Innovation und Digitalisierung im Recht der Uni Wien.

2 Amtliches Denken

Das „Kaufhaus Österreich“ sei ein Paradebeispiel für einen Fehler, der im öffentlichen Bereich häufig, im privaten kaum passiere, erklärt Thomas Klein, Digitalisierungsexperte und Geschäftsführer der Consulting-Firma Wonderwerk: „Ich binde den Nutzer viel zu spät ein. Ich entwickle etwas, bringe es auf den Markt und sehe dann erst, das gefällt dem Nutzer nicht.“

3 Strukturen

In Österreich passierten Digitalprojekte in Ministerien, nur teilweise unter Einbindung des Bundesrechenzentrums. Eine zentrale klare Anlaufstelle fehlt, findet Klein. Ein Vorbild hier wäre das Vereinigte Königreich: Das hat eine eigene Digitalisierungsagentur GDS, in der es Kompetenzen gebündelt und attraktive Rahmenbedingungen für IT-Experten geschaffen hat – und als attraktiver Arbeitgeber auch mit Google, Facebook und Co. konkurrieren kann.

4 Ein Mentalitätsproblem

IT-Lösungen und Daten – ganz besonders im Gesundheitsbereich – würden in Österreich als Eigentum und Machtinstrument der Institutionen gesehen, so Forgó. Allein im Gesundheitssektor sammeln hier etwa Sozialversicherungen, Gesundheit Österreich, Gesundheitsministerium, Statistik Austria, Ages usw. „Sie sitzen auf Datensilos und arbeiten nicht daran, diese datenschutzkonform und ethisch abgesichert miteinander zu teilen.“ Ein Schritt Richtung Open-Data-Nutzung könnte Abhilfe schaffen, ist aber nicht besonders populär.

5 Föderalismus

Dass neun Bundesländer einzelne Insellösungen aufbauen – ob in der Datenerfassung, bei der Impfanmeldung oder bei der Kontaktverfolgung – könnte theoretisch eine Chance sein, in gesunder Konkurrenz die beste Lösung zu finden. Aber so laufe das in Österreich nicht, findet Klein: „Wenn ich neun Mal eine mediokre Plattform baue, habe ich neun Mal dieselben Fragen, dieselben Schnittstellen usw. Warum bauen wir so ein System nicht gleich gemeinsam, das ist eigentlich verrückt“, so der Digitalisierungsberater. „Aber das ist eine politische Spielwiese.“