Es ist eine Entscheidung mit Zündstoffpotenzial: „Bloße allgemeine Befürchtungen reichen nicht für eine Untersagung einer Versammlung aus“, schreibt das Verwaltungsgericht Wien in seinem Erkenntnis, und weiter: „Die Untersagung der Versammlung erfolgte zu Unrecht.“
Die Versammlung, um die es geht, war eine Demonstration gegen Covid-19-Maßnahmen, die die FPÖ für 31. Jänner in Wien angemeldet hatte – den ersten Tag der groß angelegten Corona-Demonstrationen, die die Bundeshauptstadt seither regelmäßig erlebt.

Wobei der Zündstoff nicht so sehr in der Aufhebung des Verbots der Demonstration im Speziellen liegen mag, sondern in den Entscheidungsgründen, die der Verwaltungsrichter in dem Erkenntnis ausgeführt hat: Ins Treffen geführt wird etwa ein in maßnahmenkritischen Gruppen häufig geteiltes Youtube-Video, das angeblich belegen soll, der Erfinder der PCR-Tests habe gesagt, man könne diesen verwenden, um „alles in allem“ nachzuweisen.

In dem irreführend verkürzten Videoclip geht es tatsächlich aber um eine andere Fragestellung: Es stammt aus einer Diskussion 1993, in der es spezifisch um das Aids-verursachende HIV ging; die PCR-Methode ist heute weithin anerkannt als Methode, Infektionen auch bei asymptomatischen Patienten nachzuweisen.

Der Richter (ein promovierter Jurist, der auch schon beim Parlament privat gegen Covid-19-Maßnahmengesetze Stellung bezogen hat) wertet das – ohne Beiziehung eines Sachverständigen – anders: Er bestreitet unter anderem, dass PCR-Tests zur Einschätzung der Bedrohungslage ausreichten.

Außerdem habe es seitens der Behörde keine Belege für Hinweise gegeben, dass es bei dieser konkreten Demonstration zu Verstößen gegen die Covid-19-Schutzmaßnahmen kommen würde. Daher sei das Verbot der Demo im Nachhinein als rechtswidrig aufzuheben.

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Das Erkenntnis im Wortlaut

In der Landespolizeidirektion Wien zeigt man sich überrascht von der Entscheidung. „Die LPD Wien kann die rechtmäßige Beurteilung des Verwaltungsgerichtes Wien nicht nachvollziehen“, heißt es dort. „Nach eingehender Prüfung haben wir uns entschieden, eine außerordentliche Revision einzulegen und den Weg in die nächste Instanz zu gehen.“
Eine Prüfung des Erkenntnisses könnte jedoch schwierig werden: Verfassungsrechtsprofessor Peter Bußjäger hält für möglich, dass sich der Verwaltungsgerichtshof für unzuständig erklärt, weil für Grundrechtsfragen der Verfassungsgerichtshof zuständig ist – dort hat die LPD aber kein Beschwerderecht.