Seit zehn Uhr tagen Kanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober mit Virologen und Experten im Bundeskanzleramt am Ballhausplatz, um 11.30 Uhr stoßen die Oppositionschefs dazu, für 13 Uhr haben sich die Landeshauptleute angesagt, im Laufe des späteren Nachmittags will man vor die Öffentlichkeit treten. Doch was ist zu erwarten?

"Auf Basis der Expertenmeinung"

So unterschiedlich der Forderungskatalog der österreichischen Spitzenpolitiker sein mag (Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner will Lokalöffnungen am 15. März, Burgenlands Hans-Peter Doskozil einen Plan B, Kärntens Peter Kaiser mehr Möglichkeiten im Sport, Wirtschaftskammerchef Harald Mahrer weitere Lockerungen der Wirtschaft, Sportminister Werner Kogler Öffnungen im Jugendsport), in einem Punkt sind sich alle einig: Alle Entscheidungen sollen, wie mantraartig beteuert wird, "auf Basis der Einschätzung von Epidemiologen und Virologen" getroffen werde. Doch was sagen die Experten?

Grundlage der Beratungen wird unter anderem der umfassende Bericht der Corona-Kommission sein, der im Laufe der letzten Wochen erstellt wurde und auf Daten der Ages beruht, diese wurden durch umfassende Modellrechnungen der führenden österreichischen Komplexitätsforscher ergänzt. Das gesamte Papier liegt der Kleinen Zeitung vor (öffentlich abrufbar ist nur eine Kurzzusammenfassung).

Entwarnung in Pflegeheimen

Wie so oft im Leben enthält die Bestandsausnahme des Status Licht und Schatten, also auch durchaus  äußerst positive Trends. So wird ein „relevanter Rückgang von Clustern in den Alten- und den Pflegeheimen sowie im Gesundheitsbereich und der damit verbundenen Mortalität“ konstatiert. Das liege aber nicht nur an den Schutzmaßnahmen, sondern an der „mittlerweile hohen Durchimpfungsrate“ bei den Senioren, vorwiegend jenen, die in Heimen leben.

Jugendliche als Infektionsgruppe Nummer eins

Als vorbildhaft wird auch die Corona-Strategie in den Schulen gewürdigt. Die Intensivierung der Tests bringt zwar einen „überproportionalen Anstieg“ der Infektionszahlen in der Altersgruppe der Unter-25-Jährigen mit sich. Auch mussten bereits zahlreiche Schulen in Österreich geschlossen werden. Die Analysen zeigen allerdings, dass die meisten Infektionen von Professoren und Lehrern in die Schulen eingeschleppt worden sind.  

Lob für Tirol

Lobend werden auch die in Tirol gesetzten Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Südafrika-Variante im Bezirk Schwaz hervorgehoben. Auf diese Weise konnte die „Variantenverbreitung unter Kontrolle gehalten“ werden, heißt es in dem Papier. Entwarnung ist allerdings nicht in Sicht.

Tests sind nicht der einzige Treiber

Dass der Anstieg bei den Infektionen ausschließlich auf die vermehrten Testungen zurückzuführen, stellen die Experten in Abrede. „Der Effekt des erhöhten Testgeschehens sollte nicht überschätzt werden“. Nur zehn bis fünfzehn Prozent aller entdeckten Fälle seien auf die Zunahme der Tests zurückzuführen.  

Dynamik bereitet größte Sorge

Größte Sorge bereitet den Experten die virologische Dynamik in Österreich. So ist die Sieben-Tages-Inzidenz innerhalb eines Monats von knapp 100 auf bereits 161 Neuinfektionen (pro 100.000 Einwohner) explodiert, am Sonntag wurde mit 2123 Fällen ein neues Rekordhoch  verzeichnet. Erstmals haben die ungleich infektiöseren Varianten mit 57 Prozent bundesweit in Österreich die Oberhand gewonnen.

Spitäler sollen Vorbereitungen ergreifen

Zwar ist die Bettenauslastung in Spitälern und Intensivstationen nach wie vor gering. Daraus den Schluss zu ziehen, dass man die Lage unter Kontrolle hat, ist fatal. Bekanntlich findet das Infektionsgeschehen immer erst mit zwei- bis dreiwöchiger Verzögerung den Niederschlag in Spitäler. „Die Anstiege in den Intensivstationen erfolgen erfahrungsgemäß zeitversetzt zum Auftreten steigender Inzidenzen“, heißt es in dem Papier. Aus diesem Grund wird den Bundesländern „empfohlen, Maßnahmen in den Spitälern zu setzen, um auf die bevorstehenden Anstiege in den Intensivstationen vorbereitet zu sein.“ Und: „Ein neuerlicher dynamischer Anstieg der inzidenten Fälle kann die Lage in den Intensivstationen zum Zusammenbruch bringen.“

Warnung vor Lockerungen

Wie bereits berichtet, rät die Corona-Kommission dringend vor weiteren Öffnungsschritten ab. Bei einer Inzidenz von 200 sollten die aktuellen Lockerungen im Handel wieder überdacht werden. Schulschließungen werden als „ultima ratio“ angesehen.