Frau Minister, das „Kitzloch“ in Ischgl hat gerade angekündigt, dass es Ende November wieder aufsperrt. Was hat man denn aus dem Superspreader-Event Ischgl für den Wintertourismus heuer gelernt?
ELISABETH KÖSTINGER: Nach den letzten Monaten weiß jeder, dass es gilt, die Ausbreitung des Virus zu vermeiden. Das betrifft vor allem die Themen Masken tragen und Abstand halten. Wir haben schon im September Regeln für den sicheren Wintertourismus vorgestellt. Après-Ski, wie man es kennt, wird es heuer nicht geben. Die intensive Party nach dem Skifahren fällt  in diesem Winter aus.

Sie sagen, die Leute hätten die Regeln verinnerlicht. Wenn man sich die aktuellen Bilder vom Hintertuxer Gletscher anschaut, wo sich die Gäste wie eh und je zu den Skiliften drängen, kommen einem da schon Zweifel.
Ich habe darüber bereits sehr eindringlich mit den Seilbahnbetreibern gesprochen: Die Sicherheitskonzepte, die es gibt, müssen ernst genommen werden. Gleichzeitig geht es aber natürlich auch um die Eigenverantwortung: Für das Abstandhalten ist jeder selbst verantwortlich, besonders bei den neuralgischen Punkten Einsteigen und Aussteigen. Aus dieser Verantwortung können wir weder Betreiber noch die Gäste entlassen.

Das funktioniert aber offensichtlich nicht. Braucht es da wieder Strafen?
Auch Strafen bei der Verletzung des Mindestabstands sind jetzt wieder vorgesehen, in der jüngsten Verschärfung ist zudem auch klargestellt, dass die Maskenpflicht auch beim Ein- und Aussteigen in Lifte gilt. Aber wir werden nicht alles ins kleinste Detail regeln können. Es geht um die Gesundheit jedes Einzelnen und wir kämpfen darum, den Wintertourismus so gut es geht zu ermöglichen. Jedem muss klar sein, dass er mit seinem Verhalten dazu beiträgt, ob das gelingt oder nicht. Zurzeit ist es so, dass die Verantwortungslosigkeit weniger die Existenz vieler aufs Spiel stellt.

Deutschland hat diese Woche Reisewarnungen für ganz Österreich außer Kärnten ausgesprochen. Wie soll denn der Wintertourismus das überleben?
Die Infektionszahlen müssen nach unten gehen. Deswegen haben wir die Maßnahmen verschärft, und es braucht das Bewusstsein bei jedem Einzelnen. Direkt und indirekt hängen 700.000 Arbeitsplätze am Tourismus. Und wir sehen in der Clusteranalyse der AGES: die Betriebe sind sicher, aus der Hotellerie und Gastronomie kommen praktisch keine Ansteckungen

Warum warnt dann Deutschland vor Reisen?
Reisewarnungen sind abstrakte Risikoeinschätzungen – wenn die Infektionszahlen sinken, werden auch die Reisewarnungen verschwinden.

Aber die Maßnahmen sind, gemessen an dem was möglich wäre, noch relativ bescheiden; braucht es nicht noch mehr Verschärfungen, um den Wintertourismus zu retten?
Das, was wir wirklich verhindern wollen, ist der zweite Lockdown; deshalb noch einmal der Appell, sich bitte an die Maßnahmen zu halten.

Ein Aspekt, den Unternehmer immer wieder ansprechen, ist die Planungssicherheit. Jetzt ist der verbindliche Verordnungstext wieder später als angekündigt gekommen, einige Maßnahmen haben sich gegenüber der Ankündigung am Montag verändert, in Kraft treten sie erst Sonntag statt Freitag. Wie soll sich denn ein Unternehmer auf so etwas einstellen?
Ich verstehe, dass das eine schwierige Situation für Betriebe ist, zurzeit leiden sie aber noch mehr an der Reisewarnungen und am Ausbleiben der Gäste. Wir versuchen alles, damit Verordnungen zeitgerecht kommen, aber es gibt immer wieder juristische Details zu klären. Ich habe aber vollstes Vertrauen in den Gesundheitsminister, dass er nach bestem Wissen und Gewissen arbeitet.

Sind die Maßnahmen gut auf die Bedürfnisse des Tourismus eingestellt?
Die Quarantänezeit für K1-Kontaktpersonen, die selbst keine Symptome haben, dauert mit zehn Tagen zu lange – dadurch fallen Betrieben zu viele Mitarbeiter aus, viele wissen nicht, wie sie das kompensieren sollen. Man sollte sich nach fünf Tagen aus der Quarantäne „freitesten“ können – nach Ansicht von Experten ist die Ansteckungsgefahr gebannt, wenn man dann negativ ist.

Reichen die Hilfsmaßnahmen aus, um Österreichs Tourismusbetriebe durch das Katastrophenjahr zu bringen?
Die Situation in der Städtehotellerie ist schon das ganze Jahr über katastrophal. Wir haben speziell den Fixkostenzuschuss II auf diese Branche hingebaut – für Stadthotellerie, Reisebüros, Busbetriebe usw. Die sollen 100 Prozent ihrer laufenden Kosten ersetzt bekommen.

Die EU-Kommission hat das zunächst abgelehnt, jetzt aber Richtlinien erlassen, die bis zu 70 Prozent Ersatz erlauben.
Das reicht nicht. Mit 70 Prozent werden viele das nicht überstehen können. Wir sind in laufenden Gesprächen und Verhandlungen. Für mich ist die Position der Kommission nicht nachvollziehbar.

Gibt es da eine Kooperation mit anderen Staaten, um die Kommission gemeinsam umzustimmen?
Jedes Land hat sein eigenes Unterstützungssystem. Wir sehen aber, dass zB bei Deutschland solche Fragen nicht aufgeworfen werden.

Bis wann braucht es denn dieses Instrument?
Am besten vorgestern. Die Zeit läuft, die Situation wird immer prekärer, zum Beispiel mit der deutschen Reisewarnung. Wir brauchen diese Hilfen, um die Branche überwintern zu können.