Herr Wadsak, in der Corona-Krise geht es auf einmal sehr schnell, Maßnahmen zu setzen, die tief in unser Leben eingreifen. Würden Sie sich in der Klimakrise auch ein so entschlossenes Vorgehen wünschen wie gegen die Krankheit?

Marcus Wadsak: Ich hätte mir gewünscht, dass Dinge, die jetzt möglich sind, schon früher Standard geworden wären. Wir sehen jetzt zum Beispiel, wie viele Konferenzen via Video erledigt werden können, man muss nicht so viel reisen. Wir sehen, worauf man alles verzichten kann.

Breitet sich das Virus aus, sterben Menschen. Beim Klima ist der Zusammenhang viel abstrakter.

Klimawandel ist jetzt schon tödlich. In Österreich waren es 2015 um die 1.000 Menschen, die frühzeitig aus dem Leben gerissen worden sind, weil es so lange heiß war – und weil wir uns noch nicht angepasst haben. Wir haben ein neues Phänomen: stärkere, längere Hitzewellen. Natürlich hat das auch positive Effekte – aber die Katastrophen überwiegen.

Kann das ein Ausreißer sein?

Natürlich kann ein einzelnes Jahr ein Ausreißer sein. Aber es gibt eine Häufung. Es gibt kaum einen Monat, der nicht überdurchschnittlich warm ist; in den letzten 22 Monaten gab es genau einen, Mai 2019, der unterdurchschnittlich warm war.

Inzwischen ist der menschgemachte Klimawandel wissenschaftlicher Konsens, aber wie erklären Sie es dem Laien: Wie beeinflussen wir das Klima?

Durch Treibhausgase in der Atmosphäre kommt mehr Energie herein, als die Erde zurück ins Weltall schickt. Weil der Input anders funktioniert als der Output: Von der Sonne kommt kurzwelliges Licht, das die Erde erwärmt; sie gibt wieder langwellige Strahlung ab. Die kommt nicht so gut durch die Atmosphäre, in Summe bleibt mehr Energie über. Diesen Treibhauseffekt brauchen wir, ohne ihn wäre es viel zu kalt, um hier zu leben – aber in den letzten 100, 200 Jahren verstärken wir ihn so sehr, dass es immer wärmer wird.

Was passiert , wenn wir einfach so weitermachen wie bisher?

Dann werden wir das UN-Ziel der globalen Erwärmung von maximal 1,5 Grad bereits in den 2030er Jahren erreichen – und in den 60er Jahren zwei Grad. Die zwei Grad sind nicht die große Katastrophe – aber dadurch entsteht, was wir durch die Corona-Krise vor Augen geführt bekommen haben: exponentielles Wachstum, eine Temperaturkurve, die sich schnell beschleunigt. Und das geht in die Katastrophe.

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Selbst wenn wir unsere Ziele erreichen, diese 1,5 Grad erreichen, wird es heißer als jetzt.

Ja, und da ist noch eine Lücke in der Kommunikation: Wenn wir die 1,5 Grad erreichen, biegt die Erwärmungskurve ab und wir können wieder ein stabiles Klima genießen – auf höherem Niveau, aber gleichförmig. Deshalb ist es so wichtig, jetzt zu handeln.

Genügt, was Österreich hier an Maßnahmen vorhat?

Die neue Regierung hat sich vorgenommen, bis 2040 CO2-neutral sein zu wollen. Das ist beachtlich und sehr ambitioniert, allerdings warten wir hier noch auf die konkreten Maßnahmen, wie das umgesetzt werden soll.

Kann das physikalisch überhaupt gehen? Ein dann 10-Millionen-Staat, der CO2-neutral existiert?

Ich denke schon: Es gibt Vorschläge von Wissenschaftlern: Das sind keine Science Fiction-Szenarien, aber wir werden viele Gewohnheiten ändern müssen – zum besseren.