Man stelle sich vor, Österreichs weit über die Grenzen der Republik hinaus beliebtester Volks- Rock-‘n’-Roller Andreas G., von dem man munkelt, er verorte sich ideologisch eher konservativ, hätte bei einem seiner jüngsten Konzerte den jubelnden Massen zugebrüllt: „Wenn die Politiker schwächeln, dann diktieren wir, wie die Gesellschaft auszusehen hat – keinen Zentimeter nach links …“ Der Aufschrei quer durch die Kulturszene wäre gewiss ein gewaltiger gewesen, angefangen von der Twitteria über die Mainstreammedien, Funk und Fernsehen, bis hin zu den politischen Wortspendern nicht nur aus den linken Reihen, sondern gewiss bis hinein in die türkise neue ÖVP hätte er Empörung oder zumindest Kopfschütteln geerntet: Wie könne man nur.
Dass der Altmeister des „Deutsch-Rocks“, Herbert Grönemeyer, genau dies dieser Tage in der Wiener Stadthalle – genau umgekehrt, versteht sich – formulierte und erklärte, „diktieren“ zu wollen „keinen Zentimeter nach rechts“, hat nun außer ein paar AfD-Vertreter und den Generalsekretär der FPÖ niemand auf den Plan gerufen. Im Gegenteil, quer durch die zeitgeistige Kulturszene verteidigt man ihn natürlich und die heimische Politik schweigt, hat sie doch mit den Wahlkampf-Hahnenkämpfen in den diversen TV-Stationen genug zu tun.
Nun wäre es natürlich unsinnig, zu verlangen, dass Kunst und Künstler unpolitisch sein müssten. Im Gegenteil: Kunst war immer politisch und wird es stets sein. Bedrückend ist nur in unseren Tagen, in welch hohem Maße sie hierzulande und insgesamt in der westlichen Welt konformistisch geworden ist. Konformistisch im Sinne eines politisch korrekten spätlinken Zeitgeists, der zwar in der schweigenden Mehrheit der Menschen nicht wirklich auf Zustimmung stößt, der aber insgesamt in der politischen Kaste, in der Kulturszene und in den Mainstreammedien zur geradezu dogmatisch dominierenden Zivilreligion geworden ist.
Beschämend eigentlich, dieser Zeitgeist-Konformismus von Kulturschaffenden. Dass wir dem so große Bedeutung beimessen, dass wir glauben, die Persönlichkeit des Künstlers verfüge über besondere politische oder moralische Autorität, hindert uns, uns vorwiegend auf das Kunstwerk, auf das Schaffen des Künstlers zu konzentrieren, liegt vielleicht an jenem Geniekult, den es speziell im deutschen Sprach- und Kulturraum seit Sturm und Drang und Klassik, seit Goethe und Schiller gibt. Vielleicht ist es aber schlicht Unsinn, zu glauben, dass Kunstschaffende besondere politische Autoritäten wären.
Andreas Mölzer