Herbert Kickl muss das Innenministerium verlassen - und mit ihm gehen alle freiheitlichen Regierungsmitglieder. Verantwortlich ist nicht Kickls umstrittene Amtsführung sondern jenes Ibiza-Video, in dem Vizekanzler Heinz-Christian Strache möglicherweise unlautere Praktiken der Parteienfinanzierung anspricht. Zur Zeit der Aufnahme war Kickl Generalsekretär der FPÖ.
Dies dient der ÖVP als Argument, den an der Spitze der Ermittlungskette stehenden Innenminister austauschen zu lassen. Der FPÖ wird diese Abberufung wohl als Mobilisierungsvehikel für die anstehenden Urnengänge dienen.
Denn Kickl hat sich spätestens mit seinem Eintritt in der Regierung eine echte Fanbase in der freiheitlichen Kernwählerschaft erarbeitet. Dies weniger, weil er eine berittene Polizei einführen wollte, sondern weil er die von der FPÖ seit Jahren forcierte harte Ausländerpolitik nun auch in die Tat umsetzen konnte.
Grenzkontrollen waren für den Innenminister eine Selbstverständlichkeit, Erstaufnahmezentren für Flüchtlinge wurden in Ausreisezentren umbenannt, und auch sonst wurde seit 1,5 Jahren verschärft, wo es nur möglich war. Dabei suchte Kickl die Balance zwischen Zufriedenheit, dass die Asylzahlen sinken und Warnungen, dass alles wieder schlimmer werden könnte.
Provozierte gern
Nebenbei provozierte er gerne, etwa wenn er Flüchtlinge "konzentrieren" wollte oder wenn er sagte, dass das Recht der Politik folgen müsse. Wer weiß, wie gerne und gut Kickl formulieren kann, dürfte vermuten, dass es sich dabei nicht immer um unfreiwillige rhetorische Hoppalas handelte.
Mindestens ebenso viel Aufsehen in seiner kurzen Amtszeit erregte Kickl mit der sogenannten BVT-Affäre, die in einer später rechtlich für illegal erklärten Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung gipfelte. Versuche, Behördenchef Peter Gridling aus dem Amt zu bekommen, scheiterten. Der internationale Ruf des österreichischen Verfassungsschutzes litt ungeachtet dessen gehörig. Ausländische Dienste reduzierten offenbar die Zusammenarbeit auf das notwendigste.
Goldgruber
Dabei dürfte es Kickl in erster Linie darum gegangen sein, das tiefschwarz eingefärbte Innenressort aus dem Einflussbereich der Volkspartei zu bekommen. Der langjährige Generalsekretär der Freiheitlichen setzte auf einen neuen Generalsekretär im Ressort, Peter Goldgruber, wohl ein Fehler, ging dieser doch alles andere als geschickt vor. Immerhin: Kickl überstand den zur Affäre gehörigen Untersuchungsausschuss besser, als man im Vorfeld vermutet hatte, auch weil er von Goldgruber de facto entlastet wurde. Kickls Versuch, Goldgruber noch im letzten Moment zum Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit zu befördern, scheiterte jedoch: Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat die Ernennung nicht unterschrieben.
Dass Kickl der ÖVP misstraut, ist nicht erst seit seinem Wechsel ins Innenministerium so. Seit Jahren galt er als jener prominente Freiheitliche, der eher zu Rot als zu Schwarz tendierte. Kickl war auch der einzige, der sich der türkis-blauen Harmonie nie so recht anschließen wollte und einen ziemlich eigenständigen Kurs fuhr.
Dennoch war der frühere Gag-Schreiber Jörg Haiders ein ganz enger Vertrauter von Heinz-Christian Strache. Nicht wenige sind der Meinung, dass dessen Aufstieg ohne den ehemaligen Schulkollegen von Ex-Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig nicht möglich gewesen wäre. Ohnehin war er als Generalsekretär Leiter etlicher erfolgreicher Wahlkämpfe, wenngleich teils mit fragwürdigen Methoden bzw. Sprüchen wie "Daham statt Islam" oder "Pummerin statt Muezzin", um zwei Beispiele zu nennen.
Blauer Kurs
Wiewohl Kickl in der Ausländerpolitik immer den blauen Kurs teilte, zählte er nicht zum Ideologen-Flügel der FPÖ. Speziell die Burschenschafter in den freiheitlichen Reihen waren ihm tendenziell suspekt. Dafür hatte er keine Berührungsängste zu Rechtsaußenparteien auch auf internationalem Feld. So war Kickl im Jahr 2016 Gastredner bei einem Kongress der "Verteidiger Europas" in Linz, ein Auftritt, der ihm bis heute gerne von politischen Gegnern vorgeworfen wird.
In den Vordergrund drängte Kickl eigentlich nie. Zu Haiders Zeiten war er in der zweiten Reihe, dass er bei der Gründung des BZÖ "blau" blieb, überraschte manche, zahlte sich für ihn aber aus. Kickl stieg zum Sprachrohr der Partei auf, dem Mann, über dessen Tisch jede relevante Entscheidung ging. Dennoch zögerte er, als Strache ihm das Innenministerium überantworten wollte. Lieber wäre er Klubobmann geworden. Nach außen ließ er solche Befindlichkeiten nie. Ganz im Gegenteil zelebrierte Kickl vor allem im Parlament einen offensiv-provokativen Auftritt.
Manchmal erscheint dies wie eine Rolle, denn im persönlichen Umgang ist der vor der Abberufung stehende Innenminister längst nicht so grimmig wie er vor den Kameras auftritt. Abschreiben muss man Kickl wohl noch nicht, der Extremläufer hat auch politisch Ausdauer bewiesen und er wird in der Nationalratswahl-Kampagne mit Sicherheit einen prominenten Platz einnehmen, egal ob als Spitzenkandidat oder als erster Unterstützer von Norbert Hofer.