Die Ausgangslage hat sich massiv verändert, die bisher durchgeführten tausenden Umfrage-Interview "können wir wegwerfen". Der nächste Wahlsonntag werde "der Ritt über den Bodensee", sagt Peter Hajek.

Die Meinungsforscher müssten "bei Null beginnen", alle Interviews der letzten Wochen und Monate seien jetzt Makulatur, stellte Hajek (Public Opinion Strategies) im Gespräch mit der APA fest. Dabei hätten die EU-Wahlen jetzt neue Bedeutung - seien sie doch "die Testwahl für die Nationalratswahl". Aber die Zeit reiche nicht mehr wirklich für seriöse Umfragen - müsse man doch auch zwei, drei Tage warten, "bis alles gesickert ist".

"Das kann in alle Richtungen gehen"

Ganz sicher werde die EU-Wahl "ziemlich überschattet" von den aktuellen Ereignissen - handle es sich hier doch "um eine wirkliche politische Bombe", meint OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Die Wahlbeteiligung könnte theoretisch sogar steigen, weil es die erste Wahl "nach diesem Skandal" ist - aber ebenso gut auch sinken, weil die Wähler frustriert sind. "Jedenfalls sind alle vorliegenden Umfragen unbrauchbar."

"Jetzt erst recht"-Stimmung?

Bachmayer geht aber davon aus, dass die ÖVP jetzt "kurzfristig betrachtet" deutliche Chancen auf ein besseres Abschneiden - auch schon bei der EU-Wahl - hat. Bei der FPÖ sei die Ausgangslage auch für die EU-Wahl wohl schlechter geworden - seien ihre Wähler doch ohnehin bekannt EU-Wahl-faul. Dass eine "Jetzt erst recht"-Stimmung - wie sie die FPÖ mit Slogans zu schüren versucht - entsteht, sei eher zu bezweifeln.

"Vieles ist im Fluss, man kann nicht abschätzen wohin", stellt auch der Politikberater Thomas Hofer fest. Bei der FPÖ sei nach dem Ibiza-Video damit zu rechnen, dass schon bei der EU-Wahl ein Teil der Wähler abwandert oder zu Hause bleibt. Ob die ÖVP davon profitiert, sei fraglich - vielleicht komme es auch dazu, "dass die FPÖ vielleicht verliert, aber die ÖVP nicht alle diese Wähler abholen kann - und viele von ihnen in den Wartesaal, also ins Nichtwählerlager, gehen".