US-Präsident Donald Trump hat während der Münchner Sicherheitskonferenz die Europäer aufgefordert, IS-Kämpfer aus den eigenen Ländern zurückzunehmen. Damit ist auch Österreich betroffen, selbst wenn Trump dies nicht explizit erwähnt hat. Wie wird Ihre Regierung reagieren, schließlich geht der Verfassungsschutz von etwa 30 Staatsbürgern in Syrien und im Irak aus?

Kurz: Es gibt insgesamt nur wenige Fälle. Wir werden mit den zuständigen Ressorts gemeinsam jeden Einzelfall prüfen. Die Linie der Regierung in dieser Frage ist klar. Ich sehe das wie Frankreich, Dänemark und die Briten. Nämlich, dass der Schutz unserer eigenen Bevölkerung oberste Priorität hat, insbesondere vor Personen, die sich schwerer Straftaten schuldig gemacht haben. Die Prüfung der Fälle wird gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden vorgenommen, was in Krisengebieten nur eingeschränkt möglich ist.

Belastet solch eine Aussage ihre US-Reise im Vorfeld?

Kurz: Nein, die Aussage belastet weder diese Reise noch sonst irgendetwas. Es gibt wesentlich herausfordernde Themen zwischen den USA und Europa. Dabei denke ich etwa an die Aufkündigung des Klimaabkommens. Oder an den Protektionismus, der uns allen sehr große Sorgen bereitet, weil er die Wirtschaft sowohl in den USA als auch in Europa schwächen würde.

Was können sie dem US-Präsidenten beim Thema Protektionismus konkret entgegenhalten?

Kurz: Wir haben großes Interesse an einem fairen und gerecht organisierten Freihandel. Österreich ist ein stark exportorientiertes Land. Wir haben mit den USA ein Handelsvolumen von mehr als 15 Milliarden Euro. Damit sind die USA unser zweitwichtigster Handelspartner nach Deutschland. Jede Form der Einschränkung dieses Handels würde Tausende Arbeitsplätze in Österreich, aber auch in den USA gefährden.

Können sie sicher sein, dass der US-Präsident an dieser Stelle fein unterscheidet zwischen Deutschland und Österreich? Schließlich sind Maßnahmen gegen die deutsche Autobranche mit starken Auswirkungen auf die hiesige Zulieferindustrie verbunden.

Kurz: Die österreichische Industrie ist sehr eng mit der deutschen verwoben gerade im Bereich der Automobil- und Autozulieferindustrie. Insofern ist für uns zentral, einen guten wirtschaftlichen Austausch mit den USA sicherzustellen. Das ist kein bilateral österreichisch-amerikanisches Thema sondern eines zwischen den USA und der Europäischen Union. Ich hoffe, dass die Spannungen abgebaut und die offenen Fragen geklärt werden können. Wir unterstützen daher die Bemühungen der EU, damit wir nicht in einen Handelskrieg schlittern.

Kontrovers gesehen zwischen Europa und den USA wird auch der INF-Abrüstungsvertrag. Österreich hat traditionell als neutraler Staat eine Vermittlerrolle bei vielen Abrüstungsgesprächen übernommen. Welche Position kann Wien aktuell einnehmen?

Kurz: Es ist wichtig, dass sich gerade auch kleinere Staaten wie Österreich lautstark für internationale und insbesondere nukleare Abrüstung einsetzen. Ein ständiges Wettrüsten weltweit bringt nicht nur für aufrüstende Staaten extreme Gefahren, sondern auch für alle anderen mit sich. Als kleines, neutrales und exportorientiertes Land haben wir großes Interesse daran, das die Spannungen zwischen den USA und Russland weniger werden. Ich hoffe sehr, dass es gelingt, den Vertrag noch zu retten. Sechs Monate sind ja noch Zeit.

Die deutsche Kanzlerin Merkel hat in München betont, dass es unklug wäre, das Wiener Atomabkommen mit dem Iran aufzulösen, weil man damit den Gesprächsfaden nach Teheran verliert. Bei Außenminister Sarif hatte man wiederum das Gefühl, dass bei den Iranern langsam der Geduldsfaden mit den USA reißt. Was werden sie mit Trump an dieser Stelle verhandeln können?

Kurz: Wir haben zum Thema Iran - wie in vielen anderen Fragen auch - zwei ganz unterschiedliche Positionen. Die Europäische Union und auch wir Österreicher unterstützen weiterhin den Iran-Atom-Deal, solange sich der Iran daran hält. Wir glauben, dass dies noch immer die beste Möglichkeit ist, den Iran am Bau einer Atombombe zu hindern. Wir haben diesen Vertrag mit dem Iran ja aus gutem Grund abgeschlossen. Ich gehe aber nicht davon aus, dass es hier in den USA kein Umdenken gibt.

Können sie nachvollziehen, woher dieses Denken kommt?

Kurz: Es hat in den USA schon immer Strömungen gegeben, die eine härtere Gangart gegenüber dem Iran einfordern. Ich bin der festen Überzeugung, dass es Null Toleranz gegenüber dem Iran geben darf. Etwa wenn der Iran das Existenzrecht Israels in Frage stellt. Aber den Iran-Deal sehen wir trotzdem als Chance und nicht als Gefahr.

Bei der Haltung zu Israel sind Sie mit Donald Trump allerdings einer Meinung, oder?

Kurz. Wir vertreten als Bundesregierung eine klar pro-israelische Haltung. Wir sind aufgrund unserer Geschichte verpflichtet, nicht nur gegen Antisemitismus in Europa anzukämpfen, sondern auch Israel bestmöglich zu unterstützen. Wir sind froh über jeden Staat, der es uns gleichtut. Eine Supermacht wie die USA natürlich umso mehr mit ihren militärischen Möglichkeiten.

Sie reisen mit einer Reihe Themen an, zu denen sie eine andere Haltung haben als der US-Präsident. Bei vergangenen Besuchen hatte man aber den Eindruck, dass Trump immer für eine Überraschung gut ist. Erwarten sie so etwas auch?

Kurz: Ich lasse mich gerne überraschen. Das ist bei einem Gesprächspartner wie Donald Trump der einzig richtige Zugang. Fest steht aber auch, dass es sehr viele Themen gibt, bei denen es einen intensiven Austausch geben wird, weil der Zugang eben grundsätzlich unterschiedlich ist. Beim Kampf gegen den Klimawandel, im Bereich der Abrüstung und vor allem natürlich im wirtschaftlichen Sektor.

In den USA gibt es noch immer ein sehr kurioses Österreich-Bild, das von einem Traditionsfilm geprägt ist. Bringen Sie den Soundtrack als Gastgeschenk mit?

Kurz: Nein. Aber natürlich ist Österreich in den USA vor allem bekannt für „The Sound Of Music“. Es ist uns grundsätzlich wichtig, ein realistisches Österreich-Bild in der Welt zu verbreiten. Das heiß, dass wir natürlich stolz sind auf unser wunderschönes Land. Und auch darauf, dass wir eine Kulturnation sind. Aber gleichzeitig wollen wir zeigen, dass wir ein innovatives, weltoffenes und wirtschaftsstarkes Land sind. Daher ist es gut, dass wir die Möglichkeit zum Austausch mit dem Präsidenten, mit vielen Ministern und seinen Sonderberatern bekommen.

Rechnen Sie damit, dass Trump Sie wegen der guten Beziehung zu Wladimir Putin anspricht?

Kurz: Österreich hat traditionell einen sehr guten Kontakt nach Russland. Ich habe im ersten Jahr meiner Regierungstätigkeit als Bundeskanzler den russischen Präsidenten vier Mal getroffen. Was die USA betrifft, bekamen wir eher wenig Aufmerksamkeit aus Washington. Das letzte Treffen eines US-Präsidenten mit einem österreichischen Bundeskanzler im Weißen Haus hat 2005 unter Wolfgang Schüssel stattgefunden. Da die USA aber unser zweitwichtigster Wirtschaftspartner nach Deutschland sind, wäre ein genauso guter Kontakt wie nach Russland wünschenswert. Wir haben ein Interesse an guten Kontakten zu beiden Supermächten, sowohl im Osten als auch im Westen.