Herbert Kickl überlässt nichts dem Zufall. Wenn er im ORF-Report gegen „irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen“ vom Leder zieht, die Europäische Menschenrechts- und die Genfer Flüchtlingskonvention infrage stellt, ist der Aufschrei der Empörten fix eingeplant. Dass Kickl nach der Vorladung bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dem Telefonat mit dem Kanzler seine Aussagen abgemildert hat, schwächt ihn in keiner Weise. In den blauen Echokammern wird er als David, der gegen den „Mainstream der politischen Eliten“ heldenhaft ankämpft und der „politische Korrektheit“ Tribut zollen musste, gefeiert. Nach dem Motto: Wenn es sein muss, rudern wir halt zurück. Einsicht sieht anders aus.
In gewisser Weise ist Kickl als Innenminister an seinem Ziel angekommen. Beim freiheitlichen Neujahrstreffen vor einer Woche erhielt er den größten Applaus. Das ist bemerkenswert, denn Kickl kommt nicht aus dem Innersten der Partei, sondern war immer nur der Sekretär. Der 50-jährige Kärntner machte als Redenschreiber von Jörg Haider und später als Heinz-Christian Straches Vordenker Karriere. Weniger Wohlmeinende bezeichnen ihn auch als „Straches Hirn.“ Kickl hatte mit Burschenschaftern nie was am Hut, er gehört keiner Verbindung an und ward nie am Akademikerball gesehen. Kickl ist mehr Taktiker als Ideologe, mehr Stratege als aufrechter Rechter.
Untrüglichen Gespür für politische Schwingungen
In seiner Rolle als Innenminister lebt der 50-jährige Kärntner richtig auf. Uniformen bereiten ihm eine nahezu kindliche Freude, der Extremsportler, Triathlet, Eiskletterer und Bergläufer erliegt der Faszination des Martialischen. Die Mission, die er zu erfüllen meint, ist eine andere. In jeder Rede, jedem Interview, jeder Pressekonferenz kommt Kickl auf die „berechtigten Sorgen der Menschen“ und das „subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung“ zu sprechen. Das mag banal klingen. Wenn der langjährige Wahlkampfmanager mit dem untrüglichen Gespür für politische Schwingungen auf effekthascherische Maßnahmen wie seltsame Polizeiübungen an der Grenze oder Taschenmesserverbote für Asylwerber setzt, werden blaue Stammtische bedient.
Kickl, Strache, in Abstrichen Norbert Hofer sind jene FPÖ-Minister, die am stärksten die blaue Agenda im Blickfeld haben. Der Umbau zur rechtsliberalen Partei wurde längst ad acta gelegt, im Zeitalter des Populismus ist die Verlockung der Metamorphose gering. Für keine andere Partei stellt der Eintritt in eine Regierung eine solche Herausforderung dar wie für die FPÖ, die mit der EU wenig am Hut hat, das Establishment bekämpft, von der aggressiven Rhetorik lebt. Wie lang der Spagat aufrechtzuerhalten ist, bleibt offen.