Mit dem Beitritt zur EU 1995 und den Änderungen deren Verträge seither hat sich Österreich einem komplexen, dicht gesponnenen Rechtssystem unterworfen, das nationale Politik auf vielen Ebenen bindet - und fast alle Lebensbereiche berührt.
Aktuelles Beispiel: die Indexierung der Familienbeihilfe, die Türkis-Blau eingeführt hat. Wie berichtet soll die in Österreich einheitliche Leistung für Kinder im Ausland an die Kaufkraft ihres Heimatstaates angepasst werden. Die EU-Kommission sieht darin einen Verstoß gegen Unionsrecht, das aus ihrer Sicht verlangt, alle Arbeitnehmer gleichzubehandeln.
Österreichs Regierung muss die Reform nun in Brüssel verteidigen oder sie abändern; tut sie das nicht, wird die Kommission den Weg zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg gehen. Entscheidet er gegen Österreich, muss nicht nur die Regelung geändert werden, er kann auch Strafzahlungen gegen Staaten verhängen, die EU-Recht brechen.
Selten sind solche Verfahren nicht: Allein gegen Österreich sind mehrere Dutzend anhängig. Jüngst hat der EuGH etwa sein „Karfreitags-Urteil“ gefällt, dass auch ein Feiertag, der nur einer Konfession zugutekommt, gegen die Regeln der Union verstößt.
Darüber hinaus gibt es noch eine zweite EU-Verfahrensart: Die Artikel-7-Verfahren bei einer Verletzung der Prinzipien der Union - Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte - führt kein Gericht, sondern ein politisches Tribunal aus Rat, Kommission und Parlament. Solche Verfahren laufen derzeit gegen Polen und Ungarn.
Ein Staat, dem dieses Regelungsnetz zu eng wird, hat mehre Alternativen: Er kann versuchen, die Regeln zu ändern - oder austreten, wie es die Briten derzeit mit dem Brexit versuchen.