Erstaunliche Enthüllungen hat am Mittwoch die Befragung eines führenden Ermittlers in der BVT-Affäre hervorgebracht. Demnach besteht der Verdacht, dass die ÖVP über den ehemaligen Spionage-Chef im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Zugriff zu einer exklusiven Datenbank aus der Wählerevidenz hatte.
Die Auskunftsperson, die dies kundtat, ist Werner B. Der Ermittler des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung (BAK) war von der Korruptionsstaatsanwaltschaft als einziger Vertreter seiner Behörde in der BVT-Affäre herangezogen worden. Dass er dafür ausgewählt wurde, sah er als Ehre. Einer Partei stehe er nicht nahe. Bevor sich Udo Lett aus dem Kabinett von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) an ihn gewandt habe, habe er nicht einmal gewusst, was dieser tue.
Gefeuerter Spionagechef im Fokus
Seine Aussagen vor dem Ausschuss waren dann brisanter als vielleicht erwartet. Laut B. wurden nämlich beim mittlerweile gefeuerten BVT-Spionagechef P. getarnte Datensätze (etwa unter dem Titel Weihnachten 2015) teils aus der Wählerevidenz gefunden. Darin vertreten waren Daten von hunderten Personen, Ministern, Spitzenbeamten, führenden Mitarbeitern der Exekutive und der Justiz, aber auch von quasi Normalbürgern. Dazu gab es eine Suchmaske, die nur für ÖVP-Mitglieder zugänglich war. Was das Ziel dieser Datenbank war, ist laut P. derzeit noch Gegenstand von Ermittlungen.
Auch in einer weiteren Angelegenheit unterstützt B. Vermutungen über ein schwarzes Netzwerk im BVT. Konkret geht es um eine Affäre, in der gegen den Kabinettschef mehrerer ÖVP-Innenminister, Michael Kloibmüller, noch immer ermittelt wird. Er soll ein Gefälligkeitsschreiben für einen angeblichen deutschen Geheimagenten an eine Luxemburger Bank verfasst haben. Als später die Luxemburger Behörden zu ermitteln begannen, gab Kloibmüller das Schreiben erst spät zu. Der Akt dazu, der über den Schreibtisch des ehemaligen Spionage-Chefs P. gegangen war, wurde im BVT "elektronisch manipuliert", berichtete B. heute.
Nichts beitragen konnte der Chefermittler wie alle Auskunftspersonen davor zur Frage, wer das ominöse Konvolut voller Vorwürfe gegen das BVT verfasst hat, das Basis der ganzen Affäre ist. Er geht davon aus, dass es sich um mehrere Personen handelt.
Reger Kontakt
Der enge Kontakt zwischen dem später gefeuerten BVT-Spionagechef P. und dem langjährigen Kabinettschef des BMI, Kloibmüller, war im zweiten Teil der Befragung von Ermittler B. einer der Schwerpunkte. Seinen Angaben zu Folge ging die Kommunikation zwischen den beiden über ein normales Dienstverhältnis hinaus.
Kloibmüller war dann auch noch einmal im Zentrum, als es um die Affäre um seinen Brief nach Luxemburg ging. Denn er musste nach Einschätzung B's Zugang zu einem Kabinettsakt ihn betreffend gehabt haben, nachdem er bereits aus dem Innenministerium ausgeschieden war. Der Abgeordnete Peter Pilz stellte die Vermutung in den Raum, Kloibmüller könnte den Akt über seinen früheren Minister und heutigen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) bekommen haben.
Was die ÖVP-Datenbank anlangt, waren das laut B. Daten aus der Wählerevidenz ergänzt um Mail-Adressen und Telefonnummern. Auf die Frage der ÖVP-Mandatarin Tanja Graf, ob es Beweise gebe, dass Spionage-Chef P. selbst Daten eingespeichert habe, sagte B., das sei noch Gegenstand von Ermittlungen. In anderem Zusammenhang betonte B., dass P. "Datensammler schlechthin" gewesen sei.
Amon: "Sehe großen Skandal nicht"
ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon kann angesichts der aufgetauchten Personendatenbank beim früheren BVT-Spionagechef keinen Skandal für seine Partei erkennen. Die Sache sei völlig falsch dargestellt worden, meinte Amon am Mittwoch nach der Befragung des Ermittlers Werner B. im Untersuchungsausschuss.
Dieser hatte im U-Ausschuss vom Verdacht berichtet, dass die ÖVP über den ehemaligen Spionage-Chef im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung P. Zugriff zu einer exklusiven Datenbank aus der Wählerevidenz hatte. Amon erklärte, die Darstellung von Peter Pilz, wonach die ÖVP mithilfe eines BVT-Mitarbeiters ihre Datenbank aufgefettet habe, sei falsch. "Das Gegenteil ist der Fall", meinte Amon: Es seien auf dem Computer des früheren Spionagechefs Daten gefunden worden, "die offensichtlich aus der Personaldatenverarbeitung der ÖVP stammen".
"Ich sehe da den großen Skandal nicht", betonte Amon. Jede Partei habe Zugriff auf die Wählerevidenz. Wie der BVT-Beamte dazu gekommen sei, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Man könne ausschließen, dass P. auf die ÖVP-Datenbank Zugriff hatte oder Daten eingespeist habe, so Amon.
Der Ausschuss-Tag im Live-Blog: