Es klingt ein wenig, als ob Pamela Rendi-Wagner sich selbst Mut von ihren großen Vorgängern an der Spitze der SPÖ holen will. „Jede große Zeit der Sozialdemokratie hat mit Phasen der Uneinigkeit in der Partei begonnen“, sagt die Ärztin und ehemalige Gesundheitsministerin, die Christian Kern im Herbst an der Spitze der Partei nachgefolgt ist.
Explizit beschwört Rendi-Wagner dabei die 1960er-Jahre, in denen Bruno Kreisky die SPÖ übernahm - und das späte 19. Jahrhundert, in dem Victor Adler, wie sie ein Arzt, die gespaltenen Fraktionen der Arbeiterbewegung zum Jahreswechsel 1888/89 hier, im niederösterreichischen Hainfeld, einte. Ein Datum, das die SPÖ seit-her als ihre Geburtsstunde zelebriert.
Zu ihrem 130er will am Dienstagabend aber keine ausgelassene Feierlaune aufkommen. Mehr als 300 Funktionäre sind gekommen, Parteiprominenz wie Heinz Fischer („unser Bundespräsident“), Doris Bures („unsere Nationalratspräsidentin“) und der NÖ-Landesparteichef Franz Schnabl lauscht Rendi-Wagners Rede, die sich streckenweise weniger nach kämpferischer Oppositionsansage anhört als nach Sinnsuche in eigener Sache.
Konflikte "im Wohnzimmer, nicht auf dem Balkon"
„Auch die letzten Jahre, besonders die letzten Monate waren keine leichten“, schließt die Parteichefin an ihre Worte von der gespaltenen Organisation an, die der goldenen Zeit vorausgehen soll - Anspielungen auf den chaotischen Abtritt Kerns, den Verlust der Regierungsrolle und darauf, was davor kam. „Wem genau soll es helfen, wenn Debatten am 1. Mai mit Pfeifkonzerten geführt werden?“, ruft Rendi-Wagner die Demontage von Kerns Vorgänger Werner Faymann in Erinnerung: Nur geeint könne die Partei Herausforderungen meistern. „Ich bin überzeugt, dass das Beste nicht in der Vergangenheit, sondern vor uns liegt.“
Einigkeit in der Partei und die Aufforderung Schnabls in seiner Rede, interne Konflikte doch bitte „im Wohnzimmer, nicht auf dem Balkon auszutragen“, das sind die Punkte, die bei den Festgästen am meisten Zuspruch finden. Auch Rendi-Wagner bekommt am meisten Applaus, als sie die Einigkeit mit „unseren Freunden in der Gewerkschaft“ beschwört.
Und programmatische Ansagen? Ja, die gibt es auch: Steuergerechtigkeit für Konzerne wie Amazon, Google und Facebook etwa oder die Feststellung, dass Teil eines gerechten Steuerkonzepts natürlich auch eine Vermögenssteuer sei. Aber auch das eben wieder eine Anspielung auf eine Uneinigkeit - die Debatte zwischen Parteispitze und Landeschefs, ob jetzt schon der richtige Zeitpunkt für so eine Steuer sei.
Georg Renner