Es ist ein Vorwurf, der immer wieder erhoben wird: dass NGOs wie Diakonie, Caritas oder Volkshilfe Flüchtlinge in aussichtslose, überlange Asylverfahren treiben und bei negativen Bescheiden eine Abschiebung wegen der in der Zwischenzeit erfolgten Verwurzelung erschwert wird. Die Verfechter der Änderung des Systems, also einer „Verstaatlichung“ der Rechtsberatung, verweisen auf die mehr als 30.000 Einsprüche gegen erstinstanzliche Entscheidungen, die die Verfahrensdauer unnötig verlängerten. Die Befürworter des Status quo, also der „Privatisierung“ und Auslagerung, haken genau hier ein und führen ins Treffen, dass 42 Prozent (!) der erstinstanzlichen Entscheidungen aufgehoben werden. Ohne unabhängige Rechtsberatung wäre der behördlichen Willkür Tür und Tor geöffnet.
In dem hochemotionell geführten Streit sind die Würfel allerdings längst gefallen. Auf Drängen der FPÖ hat sich Türkis-Blau auf einen Systemwechsel verständigt, im Koalitionsabkommen nachzulesen. Künftig soll eine Bundesagentur, die im Innenministerium angesiedelt wird, die Rechtsberatung übernehmen. In Frankreich, Finnland, Irland oder Malta ist dies jetzt schon gelebte Praxis.
Konflikt entzündet
Über die Feiertage hat sich hinter den Kulissen ein Konflikt zwischen Innenminister Herbert Kickl und Justizminister Josef Moser über das Tempo der Umsetzung entzündet. Dem Vernehmen nach wollte der FPÖ-Minister, dass das neue Regime bereits 2020 in Kraft tritt, der Justizminister bremste unter Verweis auf die unausgegorenen Vorschläge aus dem Innenressort. „Bis zum heutigen Zeitpunkt liegen keine Unterlagen vor, die eine seriöse Kündigung der Verträge mit den Hilfsorganisationen ermöglicht hätten“, heißt es im Büro des Justizministers.
Dass der Justizminister Vorsicht walten lässt, ist naheliegend. Laut Menschenrechtskonvention haben Asylwerber einen Rechtsanspruch auf eine Beratung im Berufungsverfahren (zweite Instanz), die Kosten dafür in Höhe von 13,5 Millionen (2018) trägt das Justizministerium. In erster Instanz ist die Beratung kein Muss, dem Innenminister sind dadurch Kosten in Höhe von 1,5 Millionen erwachsen.
Gestern Vormittag haben Kanzler und Vizekanzler die Notbremse gezogen. In einer Aussendung verkündeten die Regierungskoordinatoren, die Reform werde bis März „vorbereitet und beschlossen“.