Ende November strahlte Pamela Rendi-Wagner in unzählige Kameras. Sie war gerade zur neuen SPÖ-Chefin gewählt worden, sie erntete Zuspruch und ihr wurde freundschaftlich auf die Schulter geklopft. Heute, sechs Wochen später, sind es ihre Finger, auf die geklopft wird. In einem Interview hatte sie erklärt, dass sie zwar für das SPÖ-Kernthema Erbschafts- und Vermögenssteuer sei. Dank guter Wirtschaftslage sei aktuell aber nicht der richtige Zeitpunkt für eine solche Forderung. Bei vielen Parteigrößen kam das alles andere als gut an. Kärntens SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser polterte, dass dieses Thema immer aktuell sei. Und auch die SPÖ-Chefs in der Steiermark und in Salzburg lehnten die Aussagen ihrer Vorsitzenden mit deutlichen Worten ab.
Warum wird so öffentlich gegen die noch immer frisch gewählte Chefin geschossen? „Diese ganze Sache ist in sich nicht logisch“, erklärt der Politologe Peter Hajek. „Es ist einerseits schwer nachvollziehbar, warum Rendi-Wagner eine so grundsätzliche Feststellung ohne Not und offensichtlich ohne Absprache mit der Partei tätigt.“ Dies zeige, dass die SPÖ auch weiterhin um eine einheitliche Linie ringe. „Andererseits ist es auch unverständlich, dass die Landeschefs in einer derartigen Art reagieren. Sicher ist: Die Außenwirkung ist fatal und zeigt, dass die Parteichefin nicht so fest im Sattel sitzt, wie sie eigentlich sitzen sollte.“
Über die Außenwirkung ärgern sich auch viele Funktionäre. Begeistert ist man von den Aussagen der Ex-Ministerin zwar nicht. Manche Landeschefs hätten aber offenbar noch immer nichts dazugelernt, murmelt ein ranghoher SPÖler hinter vorgehaltener Hand. Solche Dinge könne, ja müsse man der Chefin persönlich ausrichten – und nicht über die Medien. Doch in den Bundesländern sehen das viele anders. Dort fürchtet man vielerorts um die Kernwählerschaft, der das Thema Vermögenssteuer am Herzen liege, erklärt ein Landesfunktionär aus Kärnten. „Damit sagen wir ihnen praktisch: Dieses Thema ist uns wurscht.“ Man müsse also klar hinter dieser Forderung stehen – egal, ob sie mit der aktuellen Regierung durchsetzbar sei oder nicht.
Dabei ist die Wortmeldung von Rendi-Wagner nicht neu. Bereits in ihren Antrittsinterviews hatte sie sich zögerlich gezeigt, was die Forderung nach einer Vermögenssteuer betrifft. Warum jetzt der Gegenwind? „Beim ersten Mal hat eh keiner etwas gesagt. Aber zwei Mal – das geht einfach nicht. Wir dürfen diese Flanke nicht offen lassen, sonst schadet uns das“, poltert ein steirischer Funktionär. Zudem meinen manche, dass sich Rendi-Wagner nun, da die Sache hochkocht, auch einfach zu Wort melden und das hätte aufklären können.
Öffentlich ist man in der SPÖ nun um Schadensbegrenzung bemüht. Landeshauptmann Kaiser beteuerte gestern, dass es keine Unzufriedenheit mit der Parteiführung gebe. „Wir sind geschlossener, als wir es noch vor etwa einem halben Jahr waren.“
Die Profiteure dieser verbalen Rangelei in den SPÖ-Rängen seien laut dem Politologen Hajek jedenfalls Regierung und Neos. „Die stärkste Oppositionspartei fesselt sich selbst, was gut für Türkis-Blau ist.“ Und auch die Neos würden gewinnen, weil sie mit ihrer solide gefahrenen Oppositionsarbeit im Vergleich zur SPÖ punkten können.