Die Lehre für Asylwerber wird abgeschafft. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) hat am Montag bekräftigt, dass Asylwerber, die bereits eine Lehre machen, diese abschließen sollen dürfen. Auch bei jenen, die einen negativen Asylbescheid bekommen haben, werden die rechtlichen Möglichkeiten, die Lehre fertig zu machen, geprüft.

Die Rot-Weiß-Rot-Karte soll für Lehrlinge geöffnet werden. Jugendliche aus Drittstaaten sollen künftig in Mangelberufen über diese Zuwanderungskarte legal nach Österreich einwandern dürfen.

Die Reaktionen auf diese Maßnahme sind geballt negativ. Nur die Regierungsmitglieder bzw. regierungsnahe Organisationen verteidigen die Vorgangsweise:

Karin Kneissl, Außen- und Integrationsministerin: Die Wirtschaft soll mehr für die Integration jener 8.600 Asylberechtigten unter 25 auf Jobsuche zu tun, die bereits einen positiven Asylbescheid haben. Die Lehrlingsentschädigung beträgt allerdings nur rund 300 Euro, während arbeitslose Asylberechtigte rund 850 Euro Mindestsicherung erhalten. Der Anreiz für Asylberechtigte, eine Lehrlingsausbildung zu machen, ist vor diesem Hintergrund relativ gering. 

Herbert Buchinger, Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS): Für die Integration der Betreffenden sei ein Verbot selbstverständlich hinderlich, aber man will eben Leute, die keinen Fluchtgrund haben, nicht integrieren.  Das Problem ist bei den Asylberechtigten wie bei den Asylwerbern das gleiche: Die meisten von ihnen befinden sich in Wien, das Gros der offenen Lehrstellen aber in den westlichen Bundesländern.

Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit in der WKÖ: Angesichts der hitzigen Diskussion rund um das Thema Lehre und Asyl braucht es dringend eine Versachlichung der Diskussion. Die Bundesregierung hat nun eine Trennung zwischen Asyl und Zuwanderung auf Basis des Fachkräftebedarfs getroffen. Dies hilft den Betrieben künftig, weil damit Rechtssicherheit geschaffen wird.

Hans Niessl, Burgendlands Landeshauptmann (SPÖ): Die Lehre für Asylwerber abzuschaffen, ist generell der falsche Ansatzpunkt. Asylwerber sollen die deutsche Sprache lernen, einen Pflichtschulabschluss machen und dann, nach 14 bis 16 Monaten, wenn sie asylberechtigt sind, eine Lehre machen können.

Heinrich Schellhorn, Salzburgs Landeshauptmann-Stellvertreter (Grüne): Dieses Vorhaben ist zynisch, realitätsfremd und im höchsten Maße unternehmerfeindlich. Diese Entscheidung ist ein Schlag ins Gesicht für die österreichischen Betriebe, die händeringend Lehrlinge suchen.

Sara Schaar, Kärntner Integrationslandesrätin (SPÖ): In Kärnten befinden sich derzeit 55 Asylwerber in einer Lehre, wovon 50 im Tourismus tätig sind. In dieser Sparte gibt es einfach viel mehr Lehrstellen als Lehrstellensuchende, was bedeutet, dass diese jugendlichen Asylwerber eine wichtige Stütze für die heimische Wirtschaft, insbesondere den Tourismus, darstellen. Und: Es wird keinem österreichischen Jugendlichen der Job weggenommen.

Doris Kampus, steirische Integrationslandesrätin (SPÖ): Das ist ein menschliches und wirtschaftspolitisches Armutszeugnis. Wir brauchen eine faire Lösung im Sinne der jungen Menschen, die arbeiten wollen, und der Unternehmen, die händeringend Lehrlinge suchen. Arbeitskräfte aus Drittstaaten nach Österreich zu holen, um auf diese Weise Fach- und Arbeitskräftemangel zu beheben, leistet Lohn- und Gehaltsdumping Vorschub.

Alma Zadic, Integrationssprecherin der Liste Pilz: Die ÖVP hat die gesamte Asyl- und Migrationspolitik den Freiheitlichen überlassen.

Caroline Pavitsis, Vorsitzende der Bundesjugendvertretung: Asylverfahren dauern in der Regel mehrere Monate, unter Umständen auch mehrere Jahre. Es kann nicht sein, dass junge Menschen in dieser Zeit zur Untätigkeit gezwungen werden. Ausbildung und der Erwerb von Sprachkenntnissen sind für junge geflüchtete Menschen absolut zentral und müssen eine Priorität sein. Die Inklusion von Asylwerbenden in die Ausbildungspflicht könnte das gewährleisten.

Michael Raml, Bundesobmann der Freiheitlichen Jugend und Bundesrat: Bei vielen Menschen ist von vornherein klar, dass kein Bleiberecht besteht. Es ist unehrlich, diesen Menschen falsche Hoffnungen zu machen. Es gibt schließlich genügend österreichische Jugendliche, die eine Lehrstelle suchen.

Christoph Pinter, Leiter des Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) in  Österreich: Für viele junge Asylsuchende würde das bedeuten, dass sie oft jahrelang untätig herumsitzen müssen, anstatt in Österreich etwas Sinnvolles zu tun und dabei etwas zu lernen. Für junge Menschen sind "verlorene" Jahre während des Asylverfahrens außerdem noch viel gravierender als für Erwachsene.

Michael Landau, Caritas-Präsident: Ich halte das für eine völlige Fehlentscheidung in menschlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht. Etwas lernen zu können und einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen sei selbst dann wichtig, wenn Jugendliche nicht bleiben können.

Herbert Beiglböck, steirischer Caritas-Direktor: Entweder, die VertreterInnen von Schwarz-Blau betreiben billigen Populismus auf dem Rücken jener Menschen, die bereit sind, sich in ihrer neuen (Wunsch-)Heimat konstruktiv einzubringen und etwas zurückzugeben.  Oder – und das wäre wünschenswert – die Regierung legt ein neues Modell vor, das sowohl den Anforderungen der Wirtschaft, als auch jenen der integrationswilligen und leistungsorientierten Asylsuchenden entspricht.

Olivier Dantine, Superintendent der Diözese Salzburg-Tirol: Eine Ideologie, die Stimmung gegen Asylwerber macht, hat Menschlichkeit und Vernunft ausgestochen. Es geht offenbar nur noch darum, Integration zu verhindern. Besonders bedenklich ist die Behauptung, mit der Erteilung von humanitärem Bleiberecht würde der Rechtsstaat umgangen.

Gerald Schöpfer, Präsident des Roten Kreuzes: Man sollte jungen Menschen eine Perspektive anbieten und ihnen eine Zukunftschance geben, anstatt sie zur Untätigkeit zu zwingen.

Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich: Eine auf vielen Ebenen falsche Entscheidung. Der Ausschluss von jungen AsylwerberInnen von Mangelberufen ist aus wirtschaftlicher Sicht problematisch.

Elisabeth Hauser, stellvertretende Geschäftsführerin von SOS-Kinderdorf: Eine klare Verletzung der Kinderrechte, denn laut Kinderrechtskonvention hat jedes Kind und jeder Jugendliche das Recht auf bestmögliche Bildung, Entwicklung und Entfaltung - völlig unabhängig von Herkunft und Asylstatus.

Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung: Das Regierungsprogramm beinhaltet auch das Kapitel "Bekämpfung des Fachkräftemangels im Tourismus". Vorgesehen sind die Attraktivierung der Ausbildung im Inland, die Reduktion der Arbeitslosigkeit und qualifizierte Zuwanderung: Bisher bemerken wir nur etwas von der Abschiebung junger Mitarbeiter und die Kürzung der Saisonnier-Kontingente.

Renate Anderl, Arbeiterkammer-Präsidentin: Die Regierung soll Jugendlichen, die bereits hier sind, eine Chance geben.

Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida: Das Arbeitskräfteangebot in der EU ist nach wie vor sehr hoch, wird aber nicht aktiviert bzw. entsprechend von Österreich abgerufen. Es ist in hohem Maß unsolidarisch, wenn man gleichzeitig unter hohem bürokratischen Genehmigungsaufwand Menschen aus Drittstaaten holen will, um den Druck auf die ArbeitnehmerInnen weiter zu erhöhen.

Josef Missethon, Chef von "Talente für Österreich", wo sowohl Asylwerber als auch Asylberechtigte für die Lehre vorbereitet werden: Dass Asylwerber keine Lehre mehr beginnen dürfen, ist kontraproduktiv - für die Wirtschaft, den Staat und auch für die Jugendlichen selbst, die in die Warteschleife und ins Sozialsystem geschickt werden. Wir haben in Österreich mit der Lehre ein brillantes System, um Migranten in den Arbeitsmarkt, sogar als Fachkräfte, zu integrieren. Was es braucht, ist eine saubere gesetzliche Regelung, für die, die schon da sind und engagiert sind.

Asylkoordination: Die Flüchtlinge werden so - auch nach Zuerkennung eines Schutzstatus - auf Niedriglohnsektoren festgenagelt, wo sie gezwungen werden, zu schlechten Bedingungen zu arbeiten und so unfreiwillig zu Lohndumping beitragen.

SOS Mitmensch: Wer den Zugang zur Lehre versperrt, öffnet das Tor zu tiefer Leere. Es droht ein Rückfall in die integrationspolitische Steinzeit.