Auch am 45. Prozesstag stand Ex-Minister Karl-Heinz Grasser im Mittelpunkt des Buwog-Prozesses. Richterin Marion Hohenecker stellte ihm auch heute wieder detailreiche Fragen zur Buwog-Privatisierung und den Linzer Terminal Tower. Zur Erinnerung: Grasser wird Geschenkannahme durch Beamte, Fälschung eines Beweismittels sowie Bestimmung zur Untreue vorgeworfen. Er bestreitet die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Der Prozesstag zum Nachlesen

Mit einigen Minuten Verspätung geht es los, Grasser - heute in blauer Krawatte und schwarzem Anzug - hat vor der Richterin Platz genommen. Und wieder passiert das, was schon gestern passiert ist: Noch bevor Hohenecker Grasser befragen kann, ergreift sein Anwalt das Wort. Diesmal ist es Manfred Ainedter - mit einem ungewöhnlichen Antrag: Er will, dass die Richterin die Live-Berichte aus dem Gerichtssaal untersagt. Anlass zu diesem Begehren sei das Interview von Gabriela Moser mit der Austria Presse Agentur, die ihre Informationen dazu aus den Live-Tickern bezogen habe. Dabei handle es sich um verbotene Einflussnahme, man habe Moser und die Interviewerin der APA angezeigt. Zur Erinnerung: Moser hatte im Interview erklärt, die Angeklagten "ufern aus und verstricken sich in Widersprüche, sie versuchen uns ein X für ein U vorzumachen".

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"Falschinformationen"

Zudem seien die Live-Berichte aus dem Gerichtssaal manchmal fehlerhaft und würden "Falschinformationen" ins Land bringen, poltert Ainedter. Zudem könnten so Schöffen beeinflusst werden. Norbert Wess, Grassers zweiter Anwalt, stellt den Antrag noch einmal förmlich und spricht sich dafür aus, dass die Schöffen erneut belehrt werden, dass sie zu Unvoreingenommenheit und Objektivität verpflichtet sind. Auch Zeugen könnten so beeinflusst werden. Zudem: "Die Ausführungen der Angeklagten in der Hauptverhandlung werden so gut wie nicht richtig dargestellt", sagt Wess. 

Auch die Fotos und Filmaufnahmen, die hier vor Beginn der Sitzung angefertigt werden, stören Wess. Zudem werde bei den Berichten nur nach reißerischen Überschriften gesucht und nicht berichtet, was wirklich passiert. Die Richterin solle nun also entscheiden, dass den Medien hier das Live-Berichten untersagt wird.

Jetzt meldet sich die Staatsanwaltschaft dazu zu Wort. Oberstaatsanwalt Alexander Marchart habe lange überlegt, ob er etwas sagen sollte, "um diese Verhandlung nicht noch länger in die Länge zu ziehen". Die von den Verteidigern monierten Live-Berichte sind "für diese Verhandlung gänzlich irrelevant". Hier gehe es darum, die Schuldfrage der Angeklagten zu klären. Doch eigentlich melde er sich nur deshalb zu Wort, weil die Unabhängigkeit der Schöffen durch die Anwälte in Zweifel gezogen wurde. Und das sei nicht akzeptabel, denn diese seien ja nicht in der Lage, während der Verhandlung Live-Ticker zu lesen.

Die beiden Oberstaatsanwälte
Die beiden Oberstaatsanwälte © APA/HERBERT NEUBAUER

"Hauptverhandlung ist öffentlich"

Nun ist die Richterin am Wort. Sie erklärt, dass die Hauptverhandlung öffentlich und "eine wesentliche Säule des Strafverfahrens ist". Gegenstand der Verhandlung sind ausschließlich Akten und Zeugen, es gehe nicht um Medienberichte. Es geht um "Zahlen, Daten, Fakten" und sonst nichts. Deshalb gehe sie auch "so penibel" alle Unterlagen durch. Das mache sie, weil "die Vorwürfe, die im Raum stehen, massiv sind" und genau geklärt werden müssen.

Die Journalisten, die hier berichten, würden die Verhandlung zudem nicht stören. Es sei also "nicht zwingend erforderlich", dem Antrag der Anwälte stattzugeben.

Journalist soll ausgeschlossen werden

Nach dieser Diskussion wird nun die Befragung von Ex-Minister Grasser fortgesetzt. Hohenecker geht mit dem Angeklagten wieder - detailreich - Rechnungen und Verträge zur Ferint AG durch. Es gibt es ein kleines Päuschen, dann geht es weiter - und zwar mit dem nächsten Antrag. Der Verteidiger von Grassers Trauzeugen und Zweitangeklagten Walter Meischberger kritisiert, dass der Journalist Florian Klenk (Falter) im Saal war. Da er von den Verteidigern als Zeuge angefragt wurde, soll er von der Hauptverhandlung ausgeschlossen werden. Jetzt war er ohnehin nicht mehr da, also will die Richterin Grasser weiter befragen. Und just in dem Moment spaziert Klenk in den Gerichtssaal. Der Senat zieht sich damit erneut zurück und berät über einen Ausschluss von Klenk.

Nach einer auffallend langen Beratung kehrt der Senat in den Saal zurück. Der Antrag wird abgewiesen, Klenk darf bleiben. Allein die Beantragung eines Zeugen reicht noch nicht, um ihn aus den Saal zu verweisen. Denn dann könne ja jeder mittels Ladung entfernt werden.

"Zug fährt ab" - Terminal Tower

Richterin Hohenecker will weitermachen, "ich will nicht sagen 'Zug fährt ab'", aber sie wolle jetzt zur Causa Terminal Tower gehen. Warum das ein amüsantes Wortspiel ist? Weil es bei dieser Causa um die Einmietung der Finanz in einen Büroturm beim Linzer Bahnhof geht. Der Vorwurf: Hier sollen 200.000 Euro Schmiergeld geflossen sein. Grasser erklärt, es sei auch in seinem Sinne, weiterzumachen.

Er habe sich damals als Finanzminister kaum mit Immobilienfragen beschäftigt, der Terminal Tower sei für ihn ein kleines Randthema gewesen. Was dann sein Herzblut damals war, will Hohenecker wissen. "Ein ausgeglichenes Budget und die Entlastung der Leute." Und Grasser stellt klar: "Es gab ganz sicher kein Gespräch mit Herrn Meischberger über den Terminal Tower."

Walter Meischberger, Grassers Trauzeuge, der heute mit ihm auf der Anklagebank sitzt.
Walter Meischberger, Grassers Trauzeuge, der heute mit ihm auf der Anklagebank sitzt. © APA/HERBERT NEUBAUER

Er habe erst kurz vor Weihnachten 2005 von dem Projekt erfahren und auf eine Preissenkung für das Ministerium gedrängt. Dann habe er von den Protesten der Mitarbeiter erfahren, die nicht in den Tower ziehen wollten. Er habe dann  seinen Mitarbeitern gesagt, dass diese nicht über die Belegschaft "drüberfahren" sollen. Es ärgere ihn deshalb maßlos, dass ihn die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift unterstellt, dass ihm die Mitarbeiter egal waren. Das sei schlicht nicht wahr, "das ärgert mich, seit ich die Anklage gelesen habe".

Die Richterin hat uns eine Mittagspause gegönnt, jetzt geht es weiter. Es ist wieder gewohnt frisch im Saal, was den Herren in Anzügen auf der Anklagebank entgegenkommen dürfte. Thematisch springen wir aktuell in Grassers Terminkalender hin und her.

"Meischberger war bester Freund"

Während er die Termine durchgeht, erklärt Grasser, dass sein heutiger Mitangeklagter Ernst Karl Plech nicht sein "Intimus" gewesen sei. Er habe ihn gekannt, sehr nah sei er dem "väterlichen Freund" von Meischberger nicht gewesen. Bei Meischbeger war das anders. "Herr Meischberger war mein bester Freund." Meischberger, der hinter ihm sitzt, lächelt kurz.

Grasser wiederholt immer wieder, dass er nur am Rande beim Terminal Tower involviert war. "Meine Rolle ist wieder völlig falsch dargestellt worden von der Staatsanwaltschaft." Die Mitarbeiter haben damals laut Grasser "ein wirklich gutes Projekt verhandelt".

Es geht weiter mit dem Terminkalender und zahlreichen Details. Die Schöffen hören aufmerksam zu, wirken jedoch schon etwas müde. Deshalb verzichtet die Richterin darauf, einen neuen Themenkomplex aufzumachen und schließt die Sitzung. Morgen geht es weiter, um 9.30 Uhr geht es los.

Was gestern geschah

Noch bevor Richterin Marion Hohenecker die Befragung von Ex-Finanzminister Grasser fortsetzen konnte, meldete sich dessen Verteidiger Norbert Wess zu Wort. Sichtlich verärgert erklärte er, dass die Staatsanwaltschaft neues Ermittlungsmaterial in das Verfahren eingebracht hatte.

Mehr als 1000 Seiten stark sind die Akten, bei denen es sich um die Computerauswertung des ebenfalls angeklagten Anwalts Gerald Toifl handelt. Es werde während des Prozesses weiterermittelt, polterte Wess. Er und Toifls Anwalt beantragten daraufhin, die Unterlagen nicht zuzulassen. Während sich der Senat für eineinhalb Stunden zurückzog, erklärte Grassers anderer Anwalt, Manfred Ainedter, dass die Unterlagen ohnehin nichts Belastendes beinhalteten. „Trotzdem, wir können uns das nicht bieten lassen.“ Die Richterin vertagte die Entscheidung und setzte die Befragung von Grasser fort.

Den holte das berühmte Schwiegermuttergeld erneut ein. Das sind jene 500.000 Euro, die der heute Erstangeklagte 2005 bei der Meinl-Bank eingezahlt hatte – in bar. Einen Belegschein für die Einzahlung habe er nicht verlangt, es sei ohnehin alles bei der Bank gespeichert, sagte Grasser. Er wiederholte, dass es sich dabei um Geld gehandelt habe, dass er für seine Schwiegermutter veranlagen sollte. Ihm habe davon „kein Euro“ gehört, das Geld sei – inklusive Gewinn – zurückgeflossen. „Warum sollte ich, wo ich aus einfachen Verhältnissen stamme, der vermögenden Familie meiner Frau Geld schenken?“ Alles sei „gesetzeskonform“ abgelaufen, mit dem Verkauf der Bundeswohnnungen (Buwog) habe das Geld zudem nichts zu tun.

Eine ausführliche Schilderung des gestrigen Prozesstages - in der die Richterin Grasser ermahnt - lesen Sie hier.