Am Sozialministerium hatten sich unter Schwarz-Blau 2000-2006 gleich drei blaue bzw. später orange Regierungsmitglieder abgearbeitet: Elisabeth Sickl, Herbert Haupt und Ursula Haubner. Jetzt werden unter blauer Führung die Sozialagenden mit dem Gesundheitsressort zusammengelegt, wie schon Ende der 90er-Jahre unter SPÖ-Ministerin Lore Hostasch. Und die Steirerin Beate Hartinger-Klein wird das Monsterressort führen.
Arbeitslosengeld Neu
Das Arbeitslosengeld soll neu gestaltet werden - das ist einer der Kernpunkte der türkis-blauen Koalitionsvereinbarung. Je länger man das Arbeitslosengeld bezieht, desto niedriger soll es künftig sein. Im Gegenzug sollen die Arbeitslosenversicherungsbeiträge sinken.
Schon bisher war die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes mit einem Jahr limitiert. Bisher konnte man danach allerdings Notstandshilfe beziehen - unlimitiert, wenn es die Umstände gerechtfertigt erscheinen ließen. Alleinerziehende Mütter überdauerten so die Zeit der Kinderbetreuungspflichten und ältere Arbeitslose die Zeit bis zur Pension.
Die Notstandshilfe wird abgeschafft
Künftig soll die Notstandshilfe im Arbeitslosengeld aufgehen. Die Details sind noch unklar. Unter anderem geht es um eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen, also der Bedingungen, unter denen den Betroffenen zugemutet wird, wieder eine Arbeit anzunehmen. Dazu zählt etwa die Entfernung des Wohnortes vom Arbeitsort. Befürchtet wird aber auch, dass die Betroffenen künftig insgesamt rasch aus dem Arbeitslosengeld hinaus- und in die Mindestsicherung hineinfallen, was bedeuten würde, dass der Staat dann auch auf ihr Vermögen, etwa ein Haus, zugreifen kann.
Vor der Wahl hatte die SPÖ noch erreicht, dass die Berücksichtigung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe fällt, um verheiratete Arbeitslose künftig nicht ohne eigenes Einkommen dastehen zu lassen. Jetzt soll die Notstandshilfe gleich ganz abgeschafft werden.
Zugriff aufs Vermögen
Gewerkschafter Beppo Muchitsch will dagegen als soeben wiedergewählter Vorsitzender des Sozialausschusses im Parlament mit aller Macht ankämpfen: „Das hieße für Leute, die ihr Leben lang gearbeitet haben: kein Vermögen, auch keine Eigentumswohnung oder kein Auto mehr.“ Dass gleichzeitig die Aktion 20.000 eingefroren wird, die für genau diese Menschen eine Brücke zurück ins Erwerbsleben sein sollte, empfindet Muchitsch als Hohn.
Trend zu Billigjobs
Der rasche Übergang zur Mindestsicherung bedeute auch die Verpflichtung für alle, Billigjobs anzunehmen, was Muchitsch besonders aufregt: „Damit sind wir bei Hartz IV, der Entwicklung in Richtung eines Niedriglohnsektors, wie wir ihn in Deutschland schon haben.“ Der Unterschied: Das Hartz-IV-Geld beträgt etwa die Hälfte der in Österreich derzeit geltenden Mindestsicherung von gut 800 Euro monatlich. Allerdings: Die bisherige Notstandshilfe betrug 90 Prozent des Arbeitslosengeld-Anspruches, oft also mehr.
Die Caritas warnt
„Ich warne ausdrücklich vor sozialen Einschnitten“, sagt auch Caritas-Präsident Michael Landau. „Viele tun so, als wäre der Sozialstaat eine Armenkasse, die sie gnädig mit ihren Beiträgen füllen, ohne zu bedenken, dass es von einem Augenblick auf den anderen sein könnte, dass sie selbst genau diesen Sozialstaat dringend brauchen. Wir können uns den Sozialstaat leisten. Was wir uns nicht leisten können, ist, ohne ihn zu sein.“
Landau sorgt sich um die Arbeitslosen, aber auch um die Asylwerber, für die der Zugang zur Mindestsicherung künftig erschwert und die Summe verkürzt werden soll.
5 statt 21 Sozialversicherungsträger
Künftig soll es nur fünf statt 21 Träger geben. Die neun Gebietskrankenkassen sollen in eine einzige österreichweite Kasse (ÖKK) aufgehen. Eine einzige Pensionsversicherung soll künftig für die Abwicklung aller Pensionsansprüche zuständig sein, „Privilegien“ einzelner Berufsgruppen sollen damit fallen. Die AUVA muss bis 2018 Reformerfolge vorweisen, sonst wird sie aufgelöst.
"Anschlag auf die Kassen"
Beate Hartinger-Klein hat schon als Abgeordnete die Zusammenlegung der Kassen gefordert, jetzt soll sie das umsetzen. Verena Nussbaum, bisher Obfrau der steirischen Länder-GKK und nun Abgeordnete zum Nationalrat, sieht darin einen „Anschlag auf die Krankenkassen“. Ihre Befürchtung: dass es um Leistungskürzungen gehe, denn: „Wir liegen mit den Verwaltungskosten bei drei Prozent, wesentlich günstiger als in Deutschland oder in der Schweiz, wo es jeweils mehr als zehn Prozent sind. Da kann man nichts mehr einsparen.“
Außerdem: „Was heißt hier einsparen? Der Staat zahlt da ja gar nichts, sondern es sind die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, um die es hier geht.“ Ihre Sorge sei, dass die Folge Selbstbehalte und Leistungskürzungen seien, die Arme und Kranke träfen.
Gespannt darf man darauf sein, ob Hartinger bei der bisher immer vertagten Pflegeversicherung einen Schritt weiterkommt. Hier wehrten sich die Arbeitgeber bisher gegen eine Mitfinanzierungspflicht.
Claudia Gigler