Österreichs Umsetzungsmoral hat sich in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert, erklärte der grüne Klubobmann Albert Steinhauser der APA. Steinhauser verweist dabei auf den erst kürzlich veröffentlichen Bericht der EU-Kommission zur Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts.
Im Jahr 2016 versandte die Kommission insgesamt 986 Mahnschreiben. Österreich lag dabei mit 47 Mahnschreiben an dritter Stelle, nur Belgien und Portugal erhielten mehr Post aus Brüssel. 2015 waren es noch 21 Mahnschreiben an Österreich. Ähnlich die Situation bei den anhängigen Vertragsverletzungsverfahren. Zum Jahresende 2016 waren insgesamt 1.657 Verfahren anhängig. Gegen Österreich liefen 66 Vertragsverletzungsverfahren. Österreich liegt damit im oberen Mittelfeld. Mit Jahresende 2015 gab es 49 Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Fälle wurde wegen der verspäteten Umsetzung von EU-Richtlinien eingeleitet.
Wegen der Zunahme der Verfahren von 2015 auf 2016 herrscht bei den Grünen der Eindruck, dass Österreich Vertragsverletzungen nicht scheut. Es werde viel Aufwand betrieben, um die Nichtumsetzung von EU-Recht zu verteidigen - selbst wenn die Rechtsverletzung relativ evident ist, so die Ökopartei. Steinhauser fordert deshalb in einer parlamentarischen Anfrage an den zuständigen Verfassungsminister Thomas Drozda (SPÖ) Aufklärung über die beträchtliche Steigerung der EU-Verfahren.
Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Umsetzung von EU-Vorgaben in den Politikbereichen Umweltschutz, Energierecht und Tierschutz gelegt. So hat Österreich laut Steinhauser etwa die Frist zur Aktualisierung der Gewässer-Bewirtschaftungspläne überschritten, die wichtige Verbesserungen punkto Umweltschutz enthalten. Verzögerungen gab es demnach auch bei der UVP-Änderungs-Richtlinie oder der Abfallrahmen-Richtlinie.
"Die Hauptkritik ist, dass Österreich bei politischen Entscheidungen in der EU sehr zurückhaltend ist, wenig Bündnispolitik betreibt, seine Interessen nicht durchsetzt, und dann aber versucht, die Umsetzung der Entscheidungen hinauszuzögern", so Steinhauser.
Österreich sei mitunter "schlicht zu spät dran, weil die politisch Verantwortlichen nicht rechtzeitig Entscheidungen treffen, und manchmal will man nicht umsetzen, weil man mit den Entscheidungen in Brüssel nicht zufrieden ist". Am Ende der Vertragsverletzungsverfahren müsse Österreich aber ohnehin meist klein beigeben. Dadurch entstünde bürokratischer Mehraufwand und im schlimmsten Fall drohten Strafzahlungen.
Die Grünen fordern deshalb mehr Engagement in Brüssel - "lieber am Anfang anstrengen und besser verhandeln" - und danach mehr Effizienz bei der legistischen Umsetzung in Österreich. "Es ist die Verantwortung der Minister, dass das rechtzeitig im Parlament ist", sagte Steinhauser.