Nach den internen Turbulenzen der vergangenen Monate versuchen sich die Grünen nun im anlaufenden Wahlkampf wieder auf Inhalte zu konzentrieren. "Wir brauchen nicht mehr Populismus, wir brauchen mehr Lösungen und mehr Sachlichkeit", betonte Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek bei einer Gremiensitzung am Dienstag in Wien. Dort wurde auch noch einmal der Abgang von Partei-Urgestein Peter Pilz verdaut.

Der langjährige Abgeordnete, der am gestrigen Montag aus dem grünen Klub ausgetreten ist, weil er nicht seinen gewünschten Listenplatz bekommen hatte, war zwar nicht physisch anwesend, aber doch Thema. Klubobmann Albert Steinhauser ging nämlich gleich zu Beginn seiner Rede beim Erweiterten Bundesvorstand auf die Scheidung ein: "Die letzten Tage waren eine Herausforderung", es sei für ihn aber immer klar gewesen, dass die Trennung "in aller Ruhe, mit Anstand und ohne Streit" vollzogen werden solle, "und das ist gelungen". Nun bringe man trotz der "Entfremdung" noch gemeinsam den Bericht des Eurofighter-U-Ausschusses zu Ende. Manche Sympathisanten seien ob der internen Situation irritiert, räumte Steinhauser ein, aber die Listen würden eben frei und demokratisch erstellt und es sei klar, dass das für Diskussionen sorgt. Nun müsse man klar machen, "wofür wir brennen".

Kritik an Kurz

"Wir brauchen Mut und Kraft für diesen Wahlkampf", versuchte Lunacek die Spitzenfunktionäre auf den 15. Oktober einzustimmen. Die Zeiten seien herausfordernd, immer mehr Menschen hätten Angst oder das Gefühl, dass Angst, Hetze und Neid zunehmen. "Da gibt's manche, die finden da ganz einfache Antworten", aber "die Dinge sind nicht so einfach", richtete Lunacek der politischen Konkurrenz aus. Verbesserungen bräuchten Zeit und gute Lösungen, "wir Grüne stehen gegen Populismus".

Bundesvorstand der Grünen: "Gegen Populismus, mehr Sachlichkeit"

Inhaltlich bekräftigte Lunacek altbekannte grüne Forderungen nach österreichweiten Mietzinsobergrenzen, einer Erbschafts- und Schenkungssteuer ab 500.000 Euro, einem Mindestlohn von 1.750 Euro oder einem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.

In der Flüchtlingspolitik stellten die Grünen Menschenrechte und Menschlichkeit, aber auch Vernunft und Pragmatismus in den Vordergrund - und "nicht Schlagwort-Politik wie 'wir sperren das Mittelmeer zu'", spielte Lunacek auf ÖVP-Chef Sebastian Kurz an. Stattdessen müsse man Fluchtursachen bekämpfen, indem man etwa Waffenexporte in Krieg führende Staaten einschränke, "gerechte Handelsbeziehungen" schaffe und die Entwicklungszusammenarbeit verbessere. Außerdem brauche es legale, geordnete Zugänge zu Asyl, sprach sich Lunacek einmal mehr dafür aus, wieder Asylanträge an Botschaften zu erlauben. Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten, sei "ein Menschenrecht", betonte Lunacek. Nach der Rettung brauche es schnellere Verfahren, dazu seien mehr Geld und Personal notwendig. Ohne Solidarität auf europäischer Ebene werde es freilich nicht gehen, meinte sie.

Weitere Spitzen gegen die Mitbewerber hatte Werner Kogler, Nummer Zwei auf der Bundesliste, parat: Die Frage der Erbschaftssteuer als Enteignung darzustellen, wie es die ÖVP mache, halte er für "pervers", erklärte Kogler. In Wahrheit oute sich die ÖVP einmal mehr als "Partei der sozialen Kälte". Die SPÖ mit Kanzler Christian Kern wiederum habe etwa bei den viel bekämpften internationalen Handelsabkommen schon bewiesen, dass sie "eine Kern-Kompetenz hat, nämlich das Umfallen". Die Blauen kritisierte Kogler dann noch wegen "rückschrittlicher Politik" als "Fred Feuerstein-Partei FPÖ". Die Grünen stünden jedenfalls für "Zusammenhalt und Hoffnung statt Angst, Hetze und Spaltung", erklärte Kogler.

Nach den medienöffentlichen Reden zog sich das Gremium zu internen Beratungen in Sachen Wahlkampf-Strategie und -Programm zurück. Am Nachmittag sollte der Erweiterte Bundesvorstand außerdem die Bundesliste für die Nationalratswahl ab Platz 14 ergänzen. Die Plätze davor wurden bereits Ende Juni bei einem Bundeskongress gewählt: An erster Stelle steht Lunacek, dahinter Kogler, auf Platz drei folgt Umweltsprecherin Christiane Brunner. Die Kampfabstimmung um Platz vier hat der junge Abgeordnete Julian Schmid gegen Urgestein Pilz gewonnen, woraufhin sich letzterer zurückzog und nun eben eine eigene Kandidatur bei der Wahl überlegt.

Absegnen muss der Erweiterte Bundesvorstand auch noch die Landeslisten aus Salzburg und Kärnten, weil die beim Bundeskongress noch nicht fertig waren. In Salzburg ist statt Birgit Schatz diesmal Christine Steger für das eine bisherige Mandat gesetzt. In Kärnten, wo es innerhalb der Landespartei derzeit ordentlich kracht, ist Matthias Köchl Spitzenkandidat für die Parlamentswahl.