Die ohnehin nicht unumstrittene Kindergarten-Studie des Islamwissenschafters Ednan Aslan steht nun auch unter Korrektur-Verdacht. Der "Falter" veröffentlichte am Dienstag ein Dokument, das nahelegt, dass die Studie von Beamten des Außen- und Integrationsministeriums nachgeschärft wurde.
Aslan selbst bestreitet dies, das Ministerium ebenso. Die Uni-Wien will indes prüfen, ob bei der Studie die Kriterien für wissenschaftliches Arbeiten eingehalten wurden. Der österreichische Islam-Theologie Mouhanad Khorchide nimmt seinen Kollegen Ednan Aslan in Schutz: Statt die Wissenschaftlichkeit der Studie infrage zustellen, sollte man lieber über Verbesserungsbedarf in islamischen Kindergärten reden.
Erklärvideo des "Falter" zu den Vorwürfen:
Die vom Integrationsministerium in Auftrag gegebene Aslan-Studie hatte schon seit ihrem Erscheinen im Dezember 2015 immer wieder für Aufregung gesorgt. Einerseits setzte eine Debatte über integrationsfeindlich geprägte Islam-Kindergärten ein, andererseits wurde dem Wissenschafter vorgehalten, nicht gerade umfassende Informationen über die entsprechenden Einrichtungen eingeholt zu haben. Letztlich einigte man sich, dass Stadt Wien und Integrationsministerium eine gemeinsame Studie unter Mitwirkung Aslans erstellen lassen. Sie soll bis Herbst vorliegen.
Änderungen der Beamten
Neu ist nun der Vorwurf, dass Beamte des von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz geleiteten Integrationsministeriums die ursprüngliche Aslan-Studie an etlichen Stellen beeinflusst haben. Dank Korrektur-Modus ist nachzuvollziehen, wo Änderungen von den Beamten vorgenommen wurden. Dies betrifft zwar viele Passagen, wo es nur um Formalia geht, aber auch etliche, wo Aussagen in eine andere Richtung umgedeutet wurden.
Ein Beispiel: Aslan formulierte ursprünglich, dass auch muslimische Eltern in den Kindergärten für ihre Kinder "Werte wie Respekt, Gelassenheit, Individualität des Kindes, Hygiene, Zufriedenheit der Kinder, Pünktlichkeit, Liebe, Wärme und Geborgenheit, Selbstständigkeit und Transparenz der Regeln" suchten. In der Neuformulierung der Beamten heißt es dagegen: "Besonders wichtig ist ihnen (den Eltern, Anm.), dass den Kindern islamische Werte vermittelt werden". Laut Vorab-Meldung des Falter konnte sich Forscher Aslan in einer ersten Reaktion die Änderungen nicht erklären. Später beteuerte er, dass alle Änderungen nur mit seiner Zustimmung und in seinem Auftrag erfolgten.
Korrekturen auf Wunsch Aslans
Aslan betont freilich mittlerweile, dass alle Korrekturen nur auf seinen Wunsch vorgenommen worden seien. Alles sei von ihm persönlich angeordnet worden: "Ich würde niemandem erlauben, mir für meine Arbeit Anweisungen zu geben", sagte er im Gespräch mit der APA. Die Vorwürfe, wonach die Studie vom Ministerium auch inhaltlich überarbeitet worden sei, stellen für Aslan eine "wissenschaftliche Diffamierung und persönliche Beleidigung" dar.
Integrationsminister Kurz pochte ebenfalls darauf, dass alles in der Studie "die Handschrift Aslans" trage. Wenn jemand glaube, nun die Problematik schön färben zu können, halte er das für falsch, so der ÖVP-Obmann. Ein Sprecher des Außenamts erklärte, die Änderungen sein deshalb von den Beamten eingegeben worden, weil man mit Aslan und seinen Mitarbeitern im Ministerium gemeinsam ,zu dritt am Computer gesessen’ sei und er die Änderungen ‘telefonisch durchgegeben’ habe. Man habe ihn etwa vor Klagen islamischer Verbände ‘schützen’ wollen.
Die politische Konkurrenz reagierte wohl auch angesichts des Reizthemas Islam-Kindergärten eher verhalten, ließ aber bereits Kritik durchschimmern: "Wenn das auch nur im Ansatz stimmt, bin ich ehrlich bestürzt", meinte der für Kindergärten zuständige Wiener Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ). Grünen-Klubchef Albert Steinhauser meinte, es wäre absolut inakzeptabel, bei einem sensiblen Thema innenpolitisch motiviert Studien zu manipulieren und tendenziös zu ändern. Volle Aufklärung verlangte die Wiener NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger. Es wäre aus ihrer Sicht jedenfalls in höchstem Maße verantwortungslose Politik, mit womöglich manipulierten Aussagen politisches Kleingeld zu schlagen.
Uni will Studie prüfen
Die Universität Wien sammelt nun alle Fakten zu den medial erhobenen Vorwürfen zur sogenannten Kindergartenstudie. "Auf dieser Grundlage wird eine Prüfung des Sachverhalts erfolgen, um festzustellen, inwieweit die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis eingehalten wurden", teilte die Universität am Dienstagabend mit.
Zur Untersuchung von Hinweisen und Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens habe die Uni Wien eine Kommission eingerichtet. Diese Ombudsstelle zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis sei beauftragt, die Berechtigung der im Zusammenhang mit der Studie erhobenen Vorwürfe zu prüfen. Die Kommission berichtet an den Rektor der Universität Wien. Die Ergebnisse der Prüfung werden zeitnah erwartet. Wann dies genau sein wird, gibt die Universität nach der ersten Sitzung der Kommission bekannt, hieß es weiter.
Schützenhilfe für Aslan
Statt die Wissenschaftlichkeit der Studie infrage zustellen, sollte man lieber über Verbesserungsbedarf in islamischen Kindergärten reden, fordert hingegen der österreichische Islam-Theologie Mouhanad Khorchide.
"Seit Monaten wird über die Studie von Professor Ednan Aslan zu den islamischen Kindergärten debattiert. Die Studie weist zum Teil auf alarmierende Zustände an manchen Kindergärten hin. Statt sich mit den eigentlichen Fragen nach der Qualität dieser Kindergärten und deren Bildungsauftrag auseinanderzusetzen, wird die Debatte seitens derer, denen die Ergebnisse der Studie zu negativ erscheinen, personifiziert. Es geht vordergründig um die Person des Wissenschafters Professor Aslan. Dabei wird mit aller Wucht versucht, die Wissenschaftlichkeit der Studie und die Loyalität des Wissenschaftlers zu seiner Glaubensgemeinschaft infrage zu stellen", so Khorchide, der 1989 aus Palästina nach Österreich kam, hier studierte und inzwischen das Zentrum der Westfälischen Wilhelms-Universität im deutschen Münster leitet.
"Keine Diskussion über das Wesentliche"
Ähnliches sei ihm selbst vor acht Jahren widerfahren. Khorchides Dissertation "Der Islamische Religionsunterricht zwischen Integration und Parallelgesellschaft" am Islamischen Religionspädagogischen Institut der Uni Wien sorgte damals für großes mediales Aufsehen und zog viel Kritik auf sich. Für seine Studie befragte der Islam-Theologe muslimische Religionslehrer an österreichischen Schulen zu ihren Einstellungen. Eines der ernüchternden Ergebnisse: Jeder fünfte lehnte in der Umfrage Demokratie als unvereinbar mit dem Islam ab. "Man diskutierte damals über alles, aber kaum über das Eigentliche, über die Qualität des islamischen Religionsunterrichts in Österreich", erinnert sich Khorchides.
"Gerade uns Muslimen und der Frage des konstruktiven Zusammenlebens in einer pluralen Gesellschaft ist keineswegs geholfen, wenn wir Probleme und Herausforderungen verdrängen." Das gelte auch für die aktuelle Debatte. "Dass es Mängel gibt und Verbesserungsbedarf an islamischen Kindergärten, das wissen auch die Verantwortlichen in der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich." Darüber sollte laut Khorchides diskutiert werden und über die Frage: "Was muss sich in Zukunft verändern, um muslimischen Kindern einen Zugang zu hoch qualifizierten Kindergärten zu ermöglichen? Davon hängt ja deren Zukunft ab." Dies müsse auch im Interesse der Eltern sein.
Die Kritik an der Kindergartenstudie kann Khorchides nicht nachvollziehen. Auch wenn es sich um eine Auftragsstudie handelt, sei es üblich und legitim die Ergebnisse mit dem Auftraggeber vor Veröffentlichung zu besprechen. "Letztendlich verantwortet der jeweilige Wissenschafter die Inhalte seiner Studie. Daher sollten wir über diese Inhalte reden, denn das ist das Eigentliche worum es gehen soll."