Es steht im Plan A und im Kriterienkatalog (Punkt 4). Jetzt knüpft die SPÖ daran noch eine Bedingung an den künftigen Koalitionspartner (ÖVP? FPÖ?): das Aus für den Pflegeregress. Aus Parteisicht eine „100-prozentige Erbschaftssteuer“, sagte Sozialminister Alois Stöger zum Eigenanteil und Rückersatz (auch von Dritten) für Pflege und Betreuung. Man verliere das „gesamte Ersparte, alles, was man sich ein Leben lang aufgebaut hat, wenn man zu einem Pflegefall wird. Das ist ungerecht“, beklagt Parteichef Kern.
Nur ist der Empfindungsgrad der Ungerechtigkeit nicht zuletzt vom eigenen Vermögen abhängig sowie vom jeweiligen Bundesland, das durchaus differenziert Einkommen und Vermögen der Gepflegten angreift. So lange - das ist kein „Holler“ -, bis nichts mehr davon übrig (beziehungsweise zu vererben) ist. Den Behörden die Geschwindigkeit von Taschendieben zu unterstellen, wäre allerdings nicht korrekt.
Was ein Heimplatz kostet
Aller Anfang lautet: Erst wer um Unterstützung (Sozialhilfe) für seinen Pflegeheimplatz ansucht, der muss seine Vermögensverhältnisse offenlegen. Nicht jedoch die „Selbstzahler“, deren Anteil von Bundesland zu Bundesland schwankt. In der Steiermark sind es rund 17 Prozent, die aus eigener Tasche die gesamten Pflegekosten bezahlen. Alle anderen sind auf die öffentliche Hand angewiesen, um sich den Heimplatz leisten zu können. In Zahlen: Ab Pflegestufe 4 sind in der Steiermark rund 3570 Euro im Monat fällig, in der Stufe 7 (jeweils ohne Zuschläge) rund 4400 Euro. Für die Heimunterbringung wird natürlich Pflegegeld verwendet. 456.828 Pflegegeldbezieher waren es 2016, davon 35.078 in Kärnten und 80.513 in der Steiermark (und davon rund 11.500 Heimbewohner).
Angegriffen wird außerdem das Einkommen, in der Regel die Pension, die zu 80 Prozent in Betreuung und Pflege fließt. 20 Prozent des Einkommens verbleiben dem Bewohner (als Taschen- oder „Enkerlgeld“), zudem das 13. und 14. seiner Pension. Ausgenommen sind noch Unterhaltszahlungen oder Schmerzensgeld.
Unterschiedliche Freibeträge
„Freibeträge“ haben die Bundesländer sehr unterschiedlich geregelt. In Kärnten sind es 4222,23 Euro und in der Steiermark 7000 Euro (es sei denn, es liegt eine Sterbeversicherung oder Vergleichbares vor, dann sind es 4230 Euro). Niederösterreich hat den höchsten Freibetrag mit 12.666,90 Euro. Auf alles andere (verwertbare) Vermögen kann der Sozialhilfeträger zugreifen. Das sind in der Praxis Ersparnisse (Sparbücher usw.) sowie Wohnungen, Häuser oder Grundstücke.
Der Sozialhilfeträger geht dann ins Grundbuch und sichert sich seinen Anteil. Dieser steigt, je nach Dauer und Aufwand der Pflege. Freilich: „Die Gattin oder der Partner des Heimbewohners kann in der Wohnung bleiben.“ Die Behörde darf keine weiteren Sozialfälle produzieren.
Nach dem Tode wird aber rasch verwertet: Der Erlös geht zu 60 Prozent ans Land und zu 40 Prozent an den Sozialhilfeverband (Gemeinden) und fließt in den Pflegetopf zurück. Allein in der Steiermark waren im Vorjahr 450 Millionen Euro für die stationäre Pflege aufzuwenden.
Vermögen: Drei-Jahres-Frist
Wer nun „fünf Minuten vor zwölf“ ans Verkaufen oder Verschenken denkt: Solche Auswege haben die Landesgesetzgeber längst versperrt. In Kärnten gilt: Drei Jahre vor oder während oder drei Jahre nach Unterbringung kann die Behörde auf Erlöse (oder Geschenke) zurückgreifen, um die Heimkosten damit abzudecken. Dieselbe Regelung hat die Steiermark: Noch, denn sie läuft Ende 2019 aus und wird durch eine Fünf-Jahres-Regelung ersetzt. Das praktiziert zum Beispiel bereits das Land Salzburg.
Dort trifft der Kostenrückersatz auch die Eheleute (oder eingetragene Partner), was in Kärnten und der Steiermark jedoch nicht der Fall ist. Ersatzpflichtig sind primär noch Erben und „Beschenkte“. Vieles in Österreich hängt vom Bundesland ab. Der tatsächliche Vollzug kann sogar von Bezirk zu Bezirk variieren.
Das steirische Gesetz besagt, dass sich die Behörde alle (Geld-)Geschenke ohne Gegenleistung zurückholen muss, die das „Fünffache des Sozialhilfe-Richtsatzes für Alleinunterstützte“ übersteigen (rund 2900 Euro). „Darauf nehmen wir bei der Vermögensfeststellung natürlich Rücksicht. Es sind ja Kontoauszüge, Wertpapierunterlagen etc. vorzulegen. Dennoch lässt sich nicht immer sagen, ob jedes Sparbuch, das aufgelöst worden ist, erfasst wird“, schildert ein Beamter. Die Nachweise könnten Lücken aufweisen. Anders gesagt: Ermittlungen gegen Steuersünder würden mit anderen „Waffen“ geführt. Die Budgetsituation eines Bundeslandes spiele zudem eine Rolle dafür, wie tief man „grabe“.
Das "Geschenk auf den Tod"
Ausnahmen und Einzelfälle halten Familien, Erben, Notare, Anwälte und Sozialhilfeträger auf Trab. Ein Beispiel: das „Geschenk auf den Tod“. Die Behörde könnte darauf zugreifen, wenn als Stichtag schlicht das Todesdatum angenommen wird. In der Praxis ging man wiederum oft so vor: Wenn ein Schenkungsvertrag, eine beglaubigte Schenkung, ein Widerrufsverzicht und eine Annahme des Geschenkes vorhanden sind, dann wird das Vertragsdatum gewertet. Kurz: zum Vorteil des Beschenkten.
Vom Verzicht auf den Pflichtteil eines Erbes hört man ebenso regelmäßig. Aber der Verzicht „gilt ebenfalls als Vermögensübergang ohne entsprechende Gegenleistung und führt zu einer Ersatzpflicht der Person, der dieser Verzicht zugutekommt“, wie in einem Soziahilfegesetz nachzulesen ist. Derlei wäre hinfällig, wenn es nach Kerns Vorstellungen geht: Eine Erbschaftssteuer (ab einer Million Euro) soll die „Enteignung im Pflegefall“ in Zukunft obsolet machen. Die SPÖ geht von frischen Einnahmen von rund 500 Millionen Euro aus. Reicht das?
Nun, allein in der Steiermark wären aus Landessicht jährlich rund 85 Millionen Euro notwendig. So viel hat der „Regress“ (mit Pensionsanteil) im Vorjahr gebracht - ohne Pflegegeld.
Was die Parteien wollen
Auf dessen jährliche Anpassung pochen neben den Ländern auch Volkshilfe & Co. Tenor: Das würde Budgets und Gepflegte entlasten. Nicht aber den Bund, der im Vorjahr bereits 2,6 Milliarden Euro an Pflegegeld ausbezahlt hat. Zur Entlastung fordern die Grünen deshalb „vermögensbezogene Steuern“, also Schenkungs- und Erbschaftssteuern. Das sind ähnliche Vorschläge, wie sie Kerns Rote als Koalitionsbedingung definiert haben.
Darauf reagieren jedoch ÖVP und FPÖ skeptisch bis ablehnend. Nicht anders sieht der Reflex aus, sobald von einem Pflegebeitrag in der Sozialversicherung die Rede ist. Das würde den Faktor Arbeit weiter belasten und die Verwaltung strapazieren.
Einen anderen Ansatz verfolgt der steirische Landesrat Christopher Drexler. Idee: Die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt (auf 21 Prozent) erhöhen - zweckgewidmet für die Pflege. In Oberösterreich wiederum schlug der ÖAAB vor, maximal ein Prozent aller Einkünfte (auch Pensionen) als Pflegesicherungsbeitrag einzuheben. Ziel aller Vorschläge: den Pflegregress abzuschaffen.
Thomas Rossacher