Sebastian Kurz zerbricht Österreichs politische Architektur, legt Bypässe um die Bünde und Länderchefs und versucht nun prominente Neos, Grüne und Menschen der Zivilgesellschaft an ihn zu binden. Der Ton, in dem das Magazin "The Economist" über "Austrias most popular politician" schreibt, wird in der neuen wie alten ÖVP wohl gerade Sektkorken knallen lassen.
Unter dem Titel "Wunderkind", eines jener Wörter, das vom Deutschen ins Englische übernommen wurde, berichtet das Wirtschaftsmagazin über die Zustände in der heimischen Politik und spart dabei nicht mit anerkennenden Worten für Kurz. Er habe aus der JVP eine dynamische Netzwerkorganisation gemacht, die Rechten in seiner Partei durch eine zähe Haltung in der Migrationsfrage gewonnen und die Krone seiner Partei erst übernommen, als er zahlreiche Forderungen durchgesetzt hatte.
Während man in Österreich noch über Kurz erst für September erwartete politische Agenda nur spekuliert, will der Economist in einer Aussage bereits eine Referenz an die Austrian School of Economics erkannt haben: "Geld über Steuern einzunehmen und es gleich wieder als Subventionen auszuzahlen ist falsch", wird Kurz zitiert.
Kanzler Christian Kern, im Artikel als nicht minder smart auftretender Businessmann geschrieben, gelte im Gegensatz zu Kurz als Verteidiger des derzeitigen Modells. "Es hat Österreich stark gemacht." Auch suggeriert Kern, dass Kurz "mehr Image als Substanz" sei und es offen sei, ob er die alten ÖVP-Strukturen durchbrechen kann. Im Wissen, dass das System von "Parteimitgliedschaften von der Wiege zur Bahre - samt Zwischenstationen beim Alpenverein oder den Naturfreunden - stirbt", hat auch Kern seinen Plan A vorgelegt, schreibt der Economist. Und fasst ihn prägnant zusammen: Ein Bündel von wirtschaftsliberalen Reformen und Infrastrukturinvestitionen.
Die zentralen Fragen für Kurz sind nun, ob er seiner Partei eine Zustimmung zur Homo-Ehe abringen kann und sich bei der Bildungsreform gegen die Lehrergewerkschaft durchsetzen kann.
Welche Koalition wird folgen?
Anders als heimische Medien, benennt der Economist auch klar, welche Koalition sich Rot und Schwarz wünschen, nachdem sie sich nun "nach zehn Jahren in der großen Koalition hassen." Eine Allianz mit den Neos und den Grünen wäre von beiden Parteien bevorzugt. Im Wissen, dass sich diese Variante rechnerisch nur schwer ausgehen werde, sind auch beide bereit, mit der FPÖ eine Regierung zu bilden - im Bewusstsein, dass dies eine diplomatische Scham hervorrufen würde.
Dass Österreich - egal mit welchem Wahlausgang - vor einem Problem stehen könnte, sieht auch der Economist so. "Wer auch immer gewinnt: Er könnte in einer Regierung enden, die zu schwach ist, als dass sie ihm Reformen erlauben würde. Österreichs Gesellschaft entwickelt sich. Ob es die Politik auch tut, ist unsicher."