Der Zuschuss des Bundes zu den ASVG-Pensionen ist 2016 um rund 80 Millionen Euro gesunken – woran liegt das?


Erst die gute Nachricht: Laut Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) musste der Bund im vergangenen Jahr um 79,9 Millionen Euro weniger zu den ASVG-Pensionen als im Jahr 2015 dazuzahlen. Vom Bund in die gesetzliche Pensionsversicherung zugeschossen wurden 2016 insgesamt 9,91 Milliarden Euro – nach einer 30-jährigen Steigerung wurde nun also zum zweiten Mal in Folge ein Rückgang verzeichnet. Allein, dies liegt zum überwiegenden Teil nicht an politischen Reformmaßnahmen, der Grund für den Rückgang ist Experten zufolge ein anderer: Weil die Wirtschaftsleistung besser war als erwartet, gab es schlichtweg eine höhere Beitragsgrundlage, erklärt etwa Arbeits- und Sozialrechtler Wolfgang Mazal. Mit anderen Worten: Die Pensionsbeiträge waren aufgrund des laut ihm „unerwarteten“ Wirtschaftsaufschwungs des vergangenen Jahres so hoch, dass der Staat eben weniger dazuzahlen musste. Insgesamt sind die ASVG-Pensionsausgaben, die rund 35 Milliarden Euro pro Jahr betragen, gestiegen. Letztendlich, so der Pensionsexperte von der Universität Wien, „handelt es sich bei 80 Millionen Euro um die Pensionsausgaben von ungefähr einem Tag, wir müssen die Kirche also im Dorf lassen“.

War das nun eine Trendwende bei den Pensionen?

„Sicherlich nicht“, dämpft Hans Pitlik vom Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) jedwede Euphorie. Zwar haben Maßnahmen zur Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters gewirkt – es lag 2016 bei 60,4 Jahren. Doch auch der Wifo-Experte führt das jüngste Ergebnis vor allem auf die gestiegene Zahl an Beschäftigten zurück. Zudem heißt es aus dem Sozialministerium, dass das Antrittsalter bei den Alterspensionisten zuletzt nicht gesteigert werden konnte. „Grund zum Jubeln sehe ich also keinen, auch wenn man auf dem richtigen Weg zu sein scheint“, sagt Mazal. Auch ein Blick auf den aktuellen Bundesfinanzrahmen – die langfristige Budgetplanung der Republik für die Jahre 2016 bis 2021 – sorgt eher für Ernüchterung: In diesem fünfjährigen Zeitraum rechnet der Bund damit, dass die Zuschüsse in die gesetzliche Pensionsversicherung aufgrund der langsam aber sicher ins Rentenalter kommenden Babyboomer-Generation um rund 30 Prozent steigen werden. Obwohl es in den vergangenen beiden Jahren also einen Rückgang bei den absoluten Zuschüssen ins System gab, muss in den kommenden Jahren doch mit einem kräftigen Ausgabenplus gerechnet werden.


Sind die Pensionen sicher?


„Die Pensionen“, sagt Experte Mazal, „werden immer sicher sein“. Nachsatz: „Die Frage ist nur, in welcher Höhe“. Denn steigt das Antrittsalter nicht bald, müsse entweder die Leistung geschmälert oder der Bundeszuschuss erhöht werden, erklärt Mazal. Und der Bundeszuschuss frisst inklusive der Ausgaben für Beamtenpensionen, die bei knapp neun Milliarden Euro pro Jahr liegen und nur zur Hälfte durch Beiträge gedeckt sind, fast ein Viertel des Bundesbudgets. Eine Grenze, wie hoch der Pensionsanteil an den Ausgaben des Staates sein kann, „gibt es nicht“, sagt Mazal – „denn wenn es sich die Republik leisten will, wird sie auch weiterhin stark zuschießen“. Grund zur Sorge besteht Experten zufolge eher in der ASVG-Durchschnittspension: Diese betrug im Vorjahr lediglich 1224 Euro, Tendenz sinkend.


Wie viel zahlt der Staat insgesamt zu den Pensionen dazu?


Neben den 9,91 Milliarden Euro, die zum ASVG-Pensionssystem zugeschossen wurden, gab der Staat laut Finanzministerium im Jahr 2016 insgesamt 8,9 Milliarden Euro für Beamtenpensionen aus. Auch hier gab es im Vergleich zu 2015 somit einen Rückgang. Inklusive Beamtenpensionen werden somit rund sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Pensionen ausgegeben. Und weil Herr und Frau Österreicher aufgrund der jährlich um rund zwei Monate steigenden Lebenserwartung mittlerweile dreimal so lange in Pension sind wie noch vor 40 Jahren, darf künftig mit einem weiteren Anstieg gerechnet werden. Der Höhepunkt wird Experten zufolge aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge der 1960er rund um das Jahr 2040 erreicht sein – mit einer Kostenexplosion in Relation zum
BIP ist laut Experten allerdings nicht zu rechnen.


Sozialminister Alois Stöger behauptet, dass eine weitere
Pensionsreform in den kommenden Jahren nicht notwendig ist. Liegt er damit richtig?


Tatsächlich führten Reformen der jüngeren Vergangenheit – etwa jene von Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) im Jahr 2004, seit der sämtliche Verdienstjahre zur Pensionsberechnung herangezogen werden – zu veritablen Einschnitten für Pensionisten. Dennoch ist die Front für ein höheres gesetzliches Pensionsantrittsalter nach wie vor breit: Die ÖVP etwa will das Frauenpensionsalter rascher als geplant an jenes der Männer angleichen, Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) wünscht sich zudem eine automatische Anpassung des Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung. Geht es nach Mazal, ist die Anhebung des gesetzlichen Antrittsalters aber erst der zweite Schritt: Vorher, so der Arbeitsrechtler, müsse man die Lohnkurven abflachen, Erwachsenenbildung forcieren und die Arbeitszeit so regeln, dass längeres Arbeiten gesundheitlich möglich ist – dann, so Mazal, „wird das faktische Pensionsalter automatisch steigen“. Derzeit sei es laut Mazal „sicherlich zu niedrig“. Freilich aber sei er auch für ein höheres Frauenpensionsalter, ebenso könne man auch über ein generell höheres Antrittsalter reden. „Zu tun“, urteilt der Experte, „gäbe es also noch genug“.