Ende Februar hat Sebastian Kurz ein Europakonzept seines Ministeriums in Aussicht gestellt. Die drastische Verkleinerung der EU-Kommission wird darin enthalten sein, kündigte er an. Am Wochenende forderte Kurz die Aussetzung von Sozialhilfeleistungen für ausländische Staatsbürger in den ersten fünf Jahren und sowie eine Anpassung der Familienbeihilfe an das Niveau in den Herkunftsländern. Arbeitslose sollten zudem wieder in jene Staaten ziehen, wo diese einen Job finden. In der ORF-"Pressestunde" verteidigte er nun seine Pläne. Er sehe keinerlei Schlechterstellung für EU-Bürger, so Kurz, sondern eine "Andersbehandlung", die vernünftig und fair sei. Eine Sozialunion, wie sie manche für Europa ansteuern, sei aus seiner Sicht "eine Kampfansage an die Steuerzahler". Er hoffe, dass die EU nicht in diese Richtung gehe.
Unverständnis hat Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) nach seinen Ankündigungen in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag geerntet. Der Koalitionspartner SPÖ ortete nur "viele Überschriften", die FPÖ die "üblichen Sprechblasen". Kritik an dessen Sicht auf Europa gab es von den Grünen und den NEOS. Zumindest vom Team Stronach gab es ein wenig Lob und ein Angebot zur Zusammenarbeit.
An den Grundfreiheiten der EU wie der Personenfreizügigkeit rüttelt Kurz mit seinen Vorhaben seiner Meinung nach nicht: "Überhaupt nicht, ich schütze sie." Menschen, die in Österreich arbeiten, würden ohnehin keine Sozialhilfeleistungen beziehen. Beim Arbeitslosengeld - und entfernet bei der Notstandshilfe - handle es sich wiederum um eine Versicherungsleistung. Der Grundsatz für den Außenminister: "Man muss erst einmal einzahlen, bis man herausnehmen kann."
Ob es bei fünf Jahren Sperre der Sozialleistungen bleiben soll, relativierte Kurz. "Das kann man ja auch natürlich verhandeln", meinte er in Richtung des Koalitionspartners. Auch im Hinblick auf den EU-Ratsvorsitz müsse man die Idee "am Ende des Tages mit dem Bundeskanzler zusammenzuführen zu einer österreichischen Linie" machen. Mit an Board habe man die SPÖ bereits bei der Indexierung der Familienbeihilfe. Hierbei müsse man vor allem achten, dass alle Menschen gleich behandelt würden.
In der Flüchtlingspolitik setzt Kurz weiterhin auch auf nationale Maßnahmen - vor allem, sollte die Türkei ihre Drohungen wahr machen und den Pakt mit der EU aussetzen. "Das was wir selbst tun können, das müssen wir auch selbst tun", konstatierte der Außenminister. Menschen, die Sicherheit suchen, müsse man diesen Schutz natürlich auch bieten. Falsch wäre es, so Kurz, Menschen aufgrund der Erwartung aufzunehmen, in Europa schlicht ein besseres Leben zu finden.
Darüber hinaus sprach sich Kurz (ÖVP) für eine neue Regelung mit der Türkei ausgesprochen. In der "ORF"-Pressestunde am Sonntag forderte Kurz ein Ende der EU-"Beitrittsfiktion" für die Türkei. Statt des Beitritts sollte ein Nachbarschaftsvertrag die Zusammenarbeit und Grenzen regeln.
Damit bestätigte Kurz seine Position, die er auch in einem kürzlich vorgelegten Strategiepapier zur österreichischen EU-Ratspräsidentschaft formuliert hatte. Für Kurz habe das Balkanland schon sehr lange "die rote Linie" überschritten. Der Außenminister verwies dabei auch auf das massive Vorgehen gegen Regierungsgegner nach dem gescheiterten Militärputsch im Juli, aber auch die "Provokationen" im Zusammenhang mit Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in EU-Mitgliedsstaaten.
Der Konflikt zwischen Österreich und der Türkei, der auch zu einer Blockade der NATO-Kooperation geführt hatte, sei dabei kein österreichisches Problem, sondern ein Problem der EU, stellte Kurz klar. Aus Verärgerung über Österreich blockiert die Türkei seit Monaten Ausbildungs- und Trainingsprogramme der NATO mit Partnerländern.
Auch die Vorhaben in der Integrationspolitik der Regierung verteidigte Kurz abermals. Er sieht keine Widersprüche in den unterschiedlichen Gesetzestexten. So würden die unterschiedlichen Maßnahmen einander ergänzen, es brauche ebenso das Integrationsjahr wie auch Verbote von "Symbolen der Gegengesellschaft" wie der Vollverschleierung. Kritik der Bischofskonferenz sieht der Minister gelassen: "Ich bin ein gläubiger Mensch, aber trotzdem habe ich meine eigene Meinung und als Politiker eine Verantwortung."
Spekulationen, dass Kurz den derzeitigen ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner ablösen könnte, wollte der Minister wieder nicht nähren. "Der Druck ist gar nicht groß", meinte er zu den öffentlichen Erwartungen, auch Umfragen seien "nicht relevant". Kurz: "Ich habe einen Job, der mir extrem viel Freude macht." Auch Indizien für einen möglichen Neuwahltermin gebe es nicht - "Ich mache meinen Job".