In der Diskussion um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich kehrt keine Ruhe ein. Am Freitagnachmittag wurde in der Vorarlberger Gemeinde Hörbranz kurzfristig ein Wahlkampfauftritt des früheren türkischen Energieministers Taner Yildiz abgesagt. Angemeldet war die Parteiveranstaltung als Buchpräsentation.

Der AKP-Politiker wollte im Leiblachsaal seine Landsleute für das türkische Verfassungsreferendum begeistern. Dass es sich um eine verdeckte Wahlveranstaltung handle, hatte die Polizei im Vorfeld erfahren und auch bereits verstärkte Sicherheitsvorkehrungen getroffen sowie eine Überwachung angeordnet. Erwartet wurden laut Polizei rund 400 Teilnehmer.

In Linz wiederum sah die Polizei keine Handhabe, um die für Samstag geplante Wahlkampfveranstaltung des türkischen AKP-Abgeordneten Muhammet Müfit Aydin abzusagen, der Auftritt könne nun aber dennoch platzen. Denn die Inhaber des Saales, wo Aydin hätte sprechen sollen, haben diesen ausgeladen. "Die Veranstaltung findet nicht stat, wir stellen unseren Saal nicht zur Vefügung", sagte eine Mitarbeiter von "Nur - Verein der Bosniaken" in Linz zu den Oberösterreichischen Nachrichten. Um welche Art der Veranstaltung es sich handle, habe man erst aus den Medien erfahren.

"Das ist kein guter Entwurf"

Auch innenpolitisch zieht die Kontroverse weite Kreise: An dem von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) vorgelegten Entwurf zur Änderung des Versammlungsgesetzes hat Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) Kritik geübt. "Das ist kein guter Entwurf", sagte Kern auf eine entsprechende Frage beim EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel, was den Innenminister schwer verärgert hat.

Postwendend sprach auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner Klartext: "Der Innenminister hat in meinem Auftrag einen vernünftigen und praktikablen Vorschlag gemacht. Die gesamte SPÖ-Reaktion darauf war völlig unangebracht. Es gibt keinen Grund, einen inhaltsorientierten Vorschlag derart abzulehnen und für persönliche Angriffe zu missbrauchen. Das sehe ich überhaupt nicht ein.“

Es gebe hier in der Sache ein Problem, das der Kanzler zuerst gar nicht, dann aber gleich auf EU-Ebene lösen wollen habe, was zwischenzeitlich ohnehin gescheitert sei. "Daher fordere ich ein Ende des Zick-Zack-Kurses und sachliche Gespräche über eine nationale Lösung. Der Kanzler und die SPÖ sollen klar sagen, ob sie für oder gegen türkische Wahlkämpfe und türkische Innenpolitik in Österreich sind."

Die Antwort der ÖVP sei klar und erfordere nationale Maßnahmen, wie sie der Innenminister vorgeschlagen habe: "Wir akzeptieren weder türkische Wahlkampfauftritte noch türkische Innenpolitik in Österreich. Wir wollen nicht, dass Konflikte aus anderen Ländern zu uns importiert werden. Das schadet der Integration, das gefährdet die Sicherheit im Land. Auch die Bevölkerung erwartet sich ein klares Vorgehen und eine gemeinsame Lösung."

Kern wollte den Entwurf letztlich nicht überbewerten. Der Innenminister habe selbst gesagt, man diskutiere über ein Auftrittsverbot für den türkischen Ministerpräsidenten Reccep Tayyip Erdogan. Es gebe zwar jetzt viele Diskussionen, doch würden die Lebenswirklichkeiten der Österreicher dadurch nicht entscheidend verändert.

Beim EU-Gipfel habe die deutsche Kanzlerin Angela Merkel Sorgen zur Entwicklung in der Türkei deutlich zum Ausdruck gebracht. "Zur Versammlungsthematik wird es keine europäische Lösung geben. Das ist zur Kenntnis zu nehmen", räumte der Bundeskanzler ein. Er habe jedoch nur eine politische Antwort Europas verlangt. Hier werde es "ein klares Statement" der EU-Kommission geben.

Neuer Vorschlag

Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) brachte sich in den Koalitionsstreit indes mit einem neuen Gesetzesvorschlag ein. Der enthält die Eckpunkte der von Innenminister Wolfgang Sobotka gewünschten Versagungsmöglichkeit für die Genehmigung von Veranstaltungen, bei denen Vertreter ausländischer Staaten oder Organisationen politische Meinungen äußern, verzichtet jedoch auf die Verschärfung des Versammlungsgesetzes generell. Letztere zielt darauf ab, die Veranstalter von Versammlungen stärker in die Verantwortung bzw. Haftung zu nehmen, wenn Teilnehmer Schäden verursachen.

Sobotka beharrt

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) will seine Vorschläge zum Versammlungsrecht durchsetzen und nicht nur wie die SPÖ politische Auftritte ausländischer Politiker unterbinden. In einer Stellungnahme spricht er sich für eine gesamtheitliche Lösung aus. Im Gegensatz zum Koalitionspartner setze man sich nicht erst seit einigen Tagen und aufgrund von Meinungsumfragen mit der Thematik auseinander.

Das Ministerium habe ein moderndes, den Anforderungen der Zeit entsprechendes Versammlungsrecht erarbeitet. Daraus nur einen einzigen und kürzlich ergänzten Punkt herauszunehmen, wäre kurzsichtig und unverantwortlich, da Pro-Erdogan-Demonstrationen davon unberührt wären und Passagen ineinander griffen, meint Sobotka zum heute unterbreiteten Vorschlag des Kanzleramts.

Die Vorlage seines Ressorts würde dagegen das Austragen internationaler Konflikte auf österreichischem Boden klar unterbinden: "Wer Erdogan-Demos öffentlichkeitswirksam kritisiert, muss auch bereit sein, einen von uns unterbreiteten Lösungsvorschlag mitzutragen", so Sobotka in Richtung Kanzleramt.

Kein Recht auf Einreise nach Deutschland

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat indes eine Beschwerde gegen den Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim in Oberhausen im Februar als unzulässig abgelehnt. Es sei nicht ersichtlich, dass die Grundrechte eines Bürgers durch den Auftritt des Politikers verletzt wurden, heißt es in der am Freitag veröffentlichten Entscheidung.

Zugleich wiesen die Verfassungsrichter aber darauf hin, dass sich türkische Politiker bei Auftritten in Deutschland nicht auf Grundrechte berufen können. Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder hätten auch keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Einreise.