In den vergangenen Tagen hing der Fortbestand der Regierung am seidenen Faden. "Neustart oder Neuwahl" hieß das Motto, unter dem die Krisengespräche über ein neues Regierungsprogramm standen. Seit gestern Abend ist der Verhandlungsmarathon vorbei, kurz nach 21 Uhr einigte man sich auf ein neues Programm. Neuwahlen sind damit vom Tisch.

"Alle mit ins Boot holen"

Heute wollen SPÖ und ÖVP ihren neuen Plan präsentieren – davor holen sich die beiden Koalitionsparteien jeweils den Segen der Parteigremien. Zwar muss ein überarbeiteter Regierungspakt formell nicht von den Parteivorständen abgenickt werden, man wolle allerdings "alle mit ins Boot holen".

In diesem Boot soll dann auch Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) sitzen. Dieser weigerte sich bis zuletzt, seine Unterschrift unter das gesamte Programm zu setzen – Kanzler Christian Kern machte aber keine Anstalten, von seiner Forderung, dass jeder Minister unterschreiben muss, abzuweichen. Sobotka könne die Regierung ja verlassen, wenn er nicht unterschreiben wolle, richtete Kern ihm aus. Ein Ausweg aus der Sobotka-Affäre soll nun folgendermaßen aussehen: Das Programm wird in einem heute spontan einberufenen Sonderministerrat beschlossen. Denn dort herrscht nun einmal ein Einstimmigkeitsprinzip – laut ÖVP-Kreisen werde auch Sobotka dort unterschreiben. "An einer einzigen Unterschrift", erklärt ein ÖVP-Politiker hinter vorgehaltener Hand, "wird es also sicher nicht scheitern."

Präsentation am heutigen Nachmittag

Gegen 14 Uhr wird dann das Programm für die nächsten eineinhalb Jahre präsentiert. Und einiges an Inhalten ist bereits durchgesickert: So sollen etwa die Lohnnebenkosten für zusätzlich geschaffene Arbeitsplätze um die Hälfte gesenkt werden. Ebenfalls dürfte die Forschungsprämie für Unternehmen von zwölf auf 14 Prozent erhöht werden, angedacht waren bis zuletzt auch Investitionsanreize für große Unternehmen.

Einigung nach Verhandlungsmarathon: Arbeitsprogramm von SPÖ und ÖVP fertig

Burkaverbot im öffentlichen Raum

Das neue Arbeitsabkommen der SPÖ-ÖVP-Regierung sieht nach APA-Informationen auch ein neues Integrationsgesetz mit Vollverschleierungsverbot bzw. Burkaverbot im öffentlichen Raum sowie Kopftuchverbot für Exekutive, Richter und Staatsanwälte vor. Neben der Einführung eines Integrationsjahrs soll es für Asylberechtigte auch die Verpflichtung zu gemeinnütziger Tätigkeit geben.

Aus für kalte Progression

Ein wesentlicher Punkt des Papiers sieht zudem die Abgeltung der sogenannten kalten Progression vor. Die unteren Tarifstufen sollen demnach automatisch an die Inflation angepasst werden – damit wird jeder Steuerzahler entlastet. In Sachen Sicherheit konnte die ÖVP die von ihr geforderten Überwachungsmaßnahmen durchsetzen – auch die Fußfessel für Gefährder. Nicht im Pakt ist eine Halbierung der Asyl-Obergrenze – die Rede ist allerdings von einer „massiven Reduktion“ illegaler Migration. Als fix gilt eine Studienplatzfinanzierung mitsamt Zugangsbeschränkung an den Unis. Außerdem dürfte es auch teilweise – die Rede war von der fünften Schulstufe – kostenlose Laptops oder Tablets für Schüler geben.

Keine neuen Steuern

Nicht zur Gänze durchgebracht hat die SPÖ ihre Forderung nach einer „Beschäftigungsgarantie“ für über 50-Jährige. Der hier erzielte Kompromiss sieht vor, dass dieses Modell einmal getestet wird. „Es ist aber mehr als ein Pilotprojekt, das ist eine große Maßnahme“, wird in Kerns Umfeld versichert. Schlecht stand es am Sonntagabend auch um die Abschaffung des Eigenregresses bei der Pflege. Gemeinsam mit den Sozialpartnern verhandelt werden die Themen Arbeitszeitflexibilisierung und Mindestlohn. Neue Steuern wird es keine geben – man setzte sich aber zum Ziel, ausländische Online-Unternehmen stärker zu besteuern.
Finanziert soll das Milliardenpaket vorrangig über Einsparungen in den Ressorts werden, heißt es aus dem Finanzministerium. Ebenfalls sollen „Effizienzsteigerungen“ im Zusammenspiel zwischen Ländern und Bund erreicht werden – Stichwort Finanzausgleich. Letztendlich verspricht man sich auch von den Investitionsanreizen einiges an finanzieller Hebelwirkung.