Die ÖVP hat tendenziell positiv auf die Reformvorstellungen von Kanzler Christian Kern (SPÖ) reagiert. "Sehr viel an durchaus neuen Ansätzen" ortete Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am Donnerstag und will den "Plan A" des Koalitionspartners zu Studienfinanzierung, Arbeitszeitflexibilität und Wahlrechtsreform gerne aufgreifen. Für letztere fehlt der Koalition aber die nötige Zweidrittelmehrheit.

FPÖ und Grüne lehnen den von Kern vorgeschlagenen Mehrheitsbonus für die stärkste Partei (bzw. die von ihr gebildete Regierung) ab. Der Bundeskanzler möchte den Regierungsmitgliedern zu Sitz und Stimme im Parlament verhelfen, womit jede Koalition zusätzliche Mandate bekäme. FP-Generalsekretär Herbert Kickl attestierte Kern dafür ein "unterentwickeltes Demokratieverständnis", für die Grüne Eva Glawischnig ist der Vorschlag demokratiepolitisch bedenklich und angesichts der aktuellen Umfragestärke der FPÖ ein "Spiel mit dem Feuer".

Keine Zweidrittelmehrheit für Wahlrechtsreform

Auch wenn die ÖVP die Reformidee grundsätzlich begrüßte, fehlt der Koalition somit die nötige Zweidrittelmehrheit für ein neues Wahlrecht. Bei der schwarzen Klubklausur im steirischen Pöllauberg kündigte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner allerdings an, auch die Vorschläge des Kanzlers zu Studienplatzfinanzierung und Flexibilisierung der Arbeitszeit gerne aufgreifen zu wollen. Vieles in der roten Broschüre sei aber wohl ein "Plan B" - nämlich ein Programm für Neuwahlen, sollte man nichts auf Schiene bringen, meinte Mitterlehner.

Eine scharfe Abgrenzung lieferte Mitterlehner in seiner Rede daher zu anderen Ideen Kerns. So lehnt er die von der SPÖ gewünschten höheren Steuern für Konzerne und Erbschaften ab: "Das Modell führt nicht zu mehr Gerechtigkeit, das Modell führt zu mehr Steuern." Auch dass Kern die Politik für das Schaffen von Arbeitsplätzen verantwortlich sieht, missfällt dem VP-Chef, denn der Staat könne nur die Rahmenbedingungen ordnen. Die ÖVP stehe für "Eigeninitiative, Eigenverantwortung und Subsidiarität" und das habe er in Kerns Rede vermisst.

Lob und Kritik von Wirtschaftsforschern

Lücken im Kanzler-Konzept ortet auch Christoph Badelt, der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts. Das Programm sei breit aufgestellt und greife Positionen aus verschiedenen weltanschaulichen Lagern auf. "Es gibt Bereiche mit klarer sozialdemokratischer Handschrift, aber auch Bereiche, wo man sagt, das würde man von einem sozialdemokratischen Kanzler nicht unbedingt erwarten", lobte Badelt. Er vermisst aber konkrete Angaben zur Finanzierung sowie Vorstellungen zur Reform des Pensions- und Steuersystems. Ob die in Aussicht gestellten 200.000 neuen Jobs bis 2020 realistisch sind, will Badelt daher noch nicht beurteilen

Licht und Schatten sehen Wirtschaft und Industrie bei Kerns Vorschlägen. So begrüßte IV-Präsident Georg Kapsch die Bereitschaft zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, das im Gegenzug geforderte Recht auf Teilzeitarbeit lehnt er aber ab. Und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (ÖVP) würde Entbürokratisierung und Senkung der Lohnnebenkosten zwar begrüßen. Die Gegenfinanzierung über eine Wertschöpfungsabgabe lehnt er aber ab.

ÖGB will 1700 Euro Mindestlohn

ÖGB-Präsident Erich Foglar (SPÖ) begrüßte dagegen den Plan, Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen von der Arbeitszeitflexibilisierung profitieren zu lassen. Den von Kern vorgeschlagenen Mindestlohn von 1.500 Euro will er in weiterer Folge jedoch auf 1.700 Euro aufstocken - das wäre "ein Gebot der Stunde".