Die SPÖ will in der Frage der Mindestsicherungsreform nach dem Krach zwischen Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nun direkt mit den Ländern und ohne Bundes-ÖVP weiterverhandeln. Dies kündigte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler im Gespräch mit der APA an. Die Bundes-ÖVP möge dann aber auch das Ergebnis akzeptieren, so der Parteimanager.
Die Verhandlungen über eine Deckelung beziehungsweise Kürzung der Mindestsicherung laufen bereits seit Monaten. Ende Juni hatte ÖVP-Chef Mitterlehner bei einer Ministerratssitzung gegenüber Journalisten erklärt, dass er sich um die Koordinierung der unterschiedlichen Positionen der ÖVP in den Bundesländern kümmern will. Zuletzt kam man sich in den Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP schon sehr nahe. Aus Oberösterreich kamen allerdings negative Signale für einen Kompromiss - dort wurde die Mindestsicherung erheblich gekürzt, und Niederösterreich arbeitete ebenfalls bereits an einer eigenen, ähnlichen Lösung.
Gibt es keine österreichweit einheitliche Mindestsicherung, könnte es in Wien eine Neuerung geben: Sozialstadträtin Sonja Wehsely denkt laut über eine Wartefrist bei den Anträgen nach. In der Bundeshauptstadt leben mehr als die Hälfte aller Mindestsicherungswbezieher, und als Folge der Kürzungen in anderen Ländern könnten es noch mehr werden.
Wehsely kann sich eine Mindestaufenthaltsdauer in Wien als Voraussetzung für die Antragsberechtigung vorstellen - für alle, also auch für Österreicher, die aus einem anderen Bundesland nach Wien kommen.
"Aus dem Spiel genommen"
Dass Mitterlehner mit den Gesprächen um die Mindestsicherung nun nichts mehr zu tun haben will und Stöger an die Länder verwies, stößt in der SPÖ auf Kritik. "Bei einem so wichtigen sozialpolitischen Thema die Segel zu streichen, ist für eine Familienpartei wie die ÖVP eine Bankrotterklärung", so Niedermühlbichler. Die Bundes-ÖVP habe sich damit selbst "aus Spiel und Verantwortung genommen. Nachdem die Bundes-ÖVP gesagt hat, es geht sie nichts mehr an, wird sich Stöger um eine Lösung mit den Ländern bemühen." Neun verschiedene Einzellösungen seien nicht im Interesse Österreichs.
Der SPÖ-Bundesgeschäftsführer geht davon aus, dass die Bundes-ÖVP ein Ergebnis "dann aber auch akzeptiert und nicht wieder querschießt". Das Thema sei zu wichtig, um politische Spielchen zu treiben. "Es geht um die Absicherung von Familien und Kindern. Warum sollen Kinder in Oberösterreich schlechter gestellt werden als in der Steiermark oder in Salzburg. Das kann niemand wollen."
Als Wahlkampfaktion will Niedermühlbichler das Vorgehen der ÖVP nicht beurteilen. "Ich weiß nicht, was Mitterlehner getrieben hat. Vielleicht die Emotion, vielleicht hat er auch die verschiedenen Strömungen in der ÖVP nicht mehr im Griff. Wenn es Wahlkampf wäre, wäre dieses Auftreten nicht dienlich und kein guter Start."
Steirisches Modell
Im September wurde in der Steiermark die bedarfsorientierte Mindestsicherung auf neue Beine gestellt. Die nunmehrige Regelung sieht zwar keine Deckelung oder Kürzung dieser Sozialleistung vor, sieht aber strengere Auflagen und raschere Sanktionsmöglichkeiten vor. Für anerkannte Flüchtlinge ist eine Integrationshilfe vorgesehen. Die steirische Soziallandesrätin Doris Kampus schlägt vor, dieses steirische Modell in ganz Österreich zur Anwendung zu bringen: „Die Leute haben den ewig langen Streit darüber schon satt – und das zu Recht!“