Fünf Euro, 2,50 Euro, 1,61 Euro, gar nichts - Herr Minister, wie viel soll ein Asylwerber nun für Arbeit in der Gemeinde bekommen? Man kennt sich in dieser Debatte kaum mehr aus.
WOLFGANG SOBOTKA: Vorweg: Es handelt sich dabei nicht um Arbeit, sondern um eine Integrationstätigkeit. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Ich bin für eine Obergrenze von 2,50 Euro.
Und warum nun genau 2,50?
SOBOTKA: Weil das kein Anziehungsfaktor sein darf.
Gemeindearbeit für fünf Euro die Stunde würde die Leute also in Scharen nach Österreich locken?
SOBOTKA: Wieso denn nicht? Ein Grundwehrdiener bekommt 1,61 Euro, ein Feuerwehrler gar nichts. Wieso sollte ein Asylwerber also mehr bekommen?
Müssen wir uns unattraktiv machen? Österreich in seiner Schönheit ist ja ein einziger Pull-Faktor.
SOBOTKA: Für einen Migranten zählen aber nicht nur die schöne Landschaft und das gute Wasser, sondern eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation. Und dafür müsste es Jobs geben.
Und warum dann nicht gleich null Euro, wie es Wirtschaftskammerchef Leitl vorschlägt?
SOBOTKA: Man verlangt ja eine Tätigkeit, daher finde ich null auch unangebracht.
Sie wollen lügende Asylwerber in Ersatzhaft schicken. Jedoch: Wenn man einen Marokkaner, der sich für einen Syrer ausgegeben hat, einsperrt, kommt der nach drei Wochen raus. Was dann?
SOBOTKA: Wenn er die Behörden hinters Licht geführt hat, kommt er nach drei Wochen raus. Wenn er Marokkaner ist, bekommt er in der Regel kein Asyl und muss dann das Land verlassen.
Mit Marokko gibt es aber kein Rückführungsabkommen, man kann ihn also nicht abschieben.
SOBOTKA: Das ist richtig. Wenn er das Land nicht verlässt, geht er irgendwann wieder in Ersatzarrest.
Und so geht das dann weiter?
SOBOTKA: Ich habe leider Gottes nicht mehr Möglichkeiten. Aber ich hoffe, dass er irgendwann das Land verlassen würde. Aber wir werden uns bemühen, Heimreisezertifikate auszuhandeln. Wir haben auch schon nach Marokko abgeschoben.
Herr Minister, werden wir heuer die Obergrenze erreichen?
SOBOTKA: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich will deshalb die Verordnung vor dem Erreichen der Obergrenze scharf stellen.
Das kann also auch für eine Woche im Dezember der Fall sein?
SOBOTKA: Wenn ich im Dezember sehe, dass wir die Grenze durchstoßen, werde ich die Verordnung zur Anwendung bringen.
Und am 1. Jänner geht's wieder bei null los?
SOBOTKA: Ja. Das ist aber nicht meine Erfindung.
2017 liegt die Grenze bei 35.000. Sind das zu viele Flüchtlinge?
SOBOTKA: Unser System ist bereits jetzt stark belastet.
Also zu viele?
SOBOTKA: Wenn Sie mich fragen, ist diese Zahl zu hoch. Und zwar aus einem einfachen Grund: Wir können den Menschen hier keine Arbeit bieten.
Die Ungarn machen aber auch nicht den Eindruck, Flüchtlinge von uns zurücknehmen zu wollen.
SOBOTKA: Es gibt gute bilaterale Gespräche. Mehr will ich dazu momentan gar nicht sagen.
Aber ohne Einigung mit den Ungarn keine Notverordnung?
SOBOTKA: Schauen wir einmal, wie der November ausschaut.
Sie und Sebastian Kurz treten sehr hart in Sachen Flüchtlingspolitik auf. Ist das eine Art Duell, wer der härtere Hardliner ist?
SOBOTKA: Wenn Sie jemanden, der die konsequente Einhaltung der Gesetze einfordert, als Hardliner bezeichnen - ja, dann bin ich eben ein Hardliner. Aber ich fühle mich nicht als Hardliner, sondern als konsequenter Mensch. Auch Kurz halte ich nicht für einen Hardliner.
Was halten Sie von ihm? Er gilt ja als künftiger ÖVP-Chef.
SOBOTKA: Ich bin kein Glaskugelleser. In der derzeitigen Phase ist er ein wichtiger Mitgestalter.
Das Koalitionsklima ist eisig. Wird das noch was mit der SPÖ?
SOBOTKA: Der Kanzler beschäftigt sich viel mit Marketing und bereitet seinen Wahlkampf vor. Jede Ansage von ihm hat damit zu tun.
Was ist Ihr Rezept dagegen?
SOBOTKA: Man muss das zur Kenntnis nehmen. Ich wundere mich teilweise, will das aber nicht so tragisch sehen: Kern hat viel investiert, um Faymann zu beerben. Wer sich so intensiv vorbereitet, möchte auch die nächste Wahl gewinnen. Das ist nichts Unanständiges. Aber dieser „New Deal“ war eben leider nur ein Marketing-Gag.
Und eine Koalition mit der FPÖ?
SOBOTKA: Diese Frage stellt sich für mich nicht.
Sie sagten kürzlich, dass eine höhere Kriminalitätsrate aufgrund der Fluchtbewegung nicht ausgeschlossen sei. Bisher spricht aber keine Statistik dafür.
SOBOTKA: Wir haben noch keine bereinigten Zahlen. Dass es aber eine erhöhte Sicherheitsbedrohung durch die Fluchtwelle gibt, kann man nicht ausschließen.
Apropos Sicherheit: Künftig dürfen Polizisten auch in ihrer Freizeit ohne Angabe besonderer Gründe Waffen tragen. Warum hat man das gemacht?
SOBOTKA: Letztes Jahr gab es ein Unsicherheitsgefühl und viele Menschen haben sich eine Waffe gekauft. Das halte ich für schlecht. Es sollen nur die Leute Waffen tragen, die den Umgang damit trainieren. Und ich denke, dass dadurch in Einzelfällen auch eine Misere zu verhindern wäre. Für uns ist das also eine Präventionsmaßnahme gegen den internationalen Terrorismus. Wir wissen ganz genau, dass der nächste Anschlag stattfinden wird - wir wissen nur nicht, wann und wo.
Klaus Knittelfelder