95 Milliarden Euro an Steuergeldern werden jährlich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt. Um den Aufteilungsschlüssel erhebt sich in regelmäßigen Abständen ein lauter Streit. Die Finanzreferenten der Länder tagten gestern in Graz, um sich auf die Finanzausgleichsverhandlungen mit Finanzminister Hans Jörg Schelling im Herbst vorzubereiten.
Über eines sind sich die Länder einig: Sie wollen mehr Geld vom Bund für die Ausgaben für Gesundheit und Pflege, und sie wollen Geld von der EU für die Flüchtlingskosten. Der steirische Landeshauptmannstellvertreter Michael Schickhofer, unter dessen Vorsitz die Säckelwarte gestern tagten, erläuterte bei einer Pressekonferenz nach der Sitzung das Forderungspaket.
Die Rahmenbedingungen:
- Das Bruttoinlandsprodukt Österreichs sei seit 2008 um 21 Prozent gestiegen, die Ausgaben insbesondere für Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich jedoch um 62 Prozent.
- Bei der Länderbeteiligung an den Kosten für die Betreuung der Flüchtlinge sei man von 30.000 Betreuungsbedürftigen ausgegangen, inzwischen sei man beim Vierfachen.
- Beim Ärztearbeitszeitgesetz habe Österreich die Vorgaben der EU übererfüllt - der deutsche Weg zeige, dass hier durchaus Spielraum bestehe, und auch von Brüssel akzeptiert werde.
Die Forderungen:
- 500 Millionen Euro mehr aus dem Steuertopf für die Länder.
- eine Verlängerung und Aufstockung des Pflegefonds - zuletzt standen aus diesem Titel allen Ländern gemeinsam 350 Millionen Euro zur Verfügung
- eine Höherdotierung des Topfes für Sonderpädagogischen Förderbedarf, um die Schulen für die Aufnahme der Sonderschüler im Rahmen der Inklusion entsprechend auszustatten
- einen Anteil an der für 2017 geplanten neuen Bankenabgabe
- die unbürokratische und rasche Auszahlung der geplanten 180 Millionen Euro für ein Sonderwohnbauprogramm
- zusätzliche Mittel von der EU für die Versorgung der Flüchtlinge: der Kohäsionsfonds, aus dem nie alle Mittel abgerufen würden, solle für diesen Zweck geöffnet werden
Worüber (noch) nicht geredet wurde:
Die Länder untereinander kämpfen um einen neuen Verteilungsschlüssel: Flächenbundesländer wie die Steiermark oder Kärnten, in denen es zum Beispiel viele Straßen geben, die erhalten werden müssten, wollen mehr Anteil am Gesundkuchen als bisher, andere Länder, wie Wien, müssten Verzicht üben. Darüber wird erst im November geredet, "Sie brauchen da ja auch noch etwas zum Schreiben", so der verschmitzt lächelnde oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer.
Hier wird mit allen Mitteln gerechnet und gekämpft, und es sind viele Fallen zu umschiffen. Länder wie Wien und Vorarlberg etwa fordern im Gegenzug eine Gastpatientenregelung, also eine Kostenrefundierung für die Behandlung von Patienten aus anderen Ländern. Die könnte die Steiermark bis zu 30 Millionen Euro jährlich kosten.
Der weitere Fahrplan
Vom Tisch ist die Debatte über mehr Steuerautonomie für die Länder, unter anderem deshalb, weil auch eine solche Steuerautonomie Länder mit höheren Steuereinnahmen, etwa Wien, wieder begünstigen würde.
Großer Wurf zeichnete sich somit vorerst keiner ab. Gegenüber dem Bund erklärten sich die Länder aber bereit, aktiv an Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung mitzuarbeiten. Auch für Haftungsobergrenzen und ein gemeinsames, einheitliches Haushaltsrecht gibt es grünes Licht. Am 21. Oktober gibt es weitere Verhandlungen mit dem Bund und danach noch einmal ein außerordentliches Treffen der Referenten in der Steiermark.
Claudia Gigler