Das simple Wort "aufschrei" ging vor drei Jahren durch alle Medien. Ausgehend von Deutschland stieß Netzaktivistin Anne Wizorek damit eine Debattenlawine los, mit der sie auch in Österreich von sich reden machte. Tausende von Frauen machten ihre Erfahrungen mit Demütigung, Erniedrigung und sexueller Gewalt publik und machten damit deutlich, dass es sich beim Sexismus nicht um Einzelfälle und Randerscheinungen handelt.

Anlass waren 2013 die anzüglichen Bemerkungen des FDP-Politikers Rainer Brüderle gegenüber einer Journalistin. Nach den Übergriffen von Köln blieb es zunächst ruhig. Erst in den Tagen danach sickerte durch, was geschah. Vieles liegt noch im Dunklen, aber viele Männer machten sich zu Anwälten für den Schutz der Frauen und erweckten dabei gleichzeitig den Eindruck, dabei nur ihre eigenen rassistischen Vorurteile zu verstärken.

Jetzt wehren sich die Frauen wieder gegen Populisten und machen ihr Begehr selbst zur Sache: 22 Frauen positionieren sich mit einem offenen Brief "Gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus. Immer. Überall." Sie fordern Hilfe und Unterstützung für alle Betroffenen und erklären sich "solidarisch mit all denjenigen, die sexualisierte Gewalt und Belästigung erfahren haben".

Sexualisierte Gewalt dürfe nicht nur dann thematisiert werden, wenn die Täter die vermeintlich "anderen" sind: Die muslimischen, arabischen, die Schwarzen oder die nordafrikanischen Männer - kurzum, all jene die rechte Populisten als "nicht deutsch" verstehen. Mit 14 Forderungen richten sich die Aktivistinnen an Politik und Medien, darunter den Appell, das Problem des Sexismus und der sexualisierten Gewalt nicht zu "islamisieren" und damit pauschal einer Religion und ihren - häufig nur veremeintlichen -  Angehörigen zuzuschreiben.

Unter den 22 Unterzeichnerinnen ist auch Dudu Küçükgöl aus Wien, ehemaliges Vorstandsmitglied der Muslimischen Jugend Österreichs, die sich in einem Interview in der ZIB 24 im November schon klar dazu geäußert hat, dass im Islam nicht notwendigerweise Frauenfeindlichkeit begründet sei.

Schon vor der Veröffentlichung wurde der Brief Hunderte Male unterzeichnet, auch von prominenten Politikerinnen aus österreich wie der Wiener SPÖ-Frauenstadträtin Sandra Frauenberger oder der grünen Nationalratsabgeordnete Berivan Aslan.

"Ausnahmslos"-Mitinitiatorin Kübra Gümüşay betont im Interview mit der Süddeutschen: "Natürlich haben arabische oder türkische oder songenannte nodafrikanischen Communitys ein Sexismus-Problem", doch das haben sie nicht exklusiv."

Modernen Feministinnen sei es ein Herzensanliegen, nichts und niemanden zu diskriminieren, weswegen es nicht einfach war, sich auf ein gemeinsames Statement zu einigen. "Das gab es noch nie, dass sich so viele Feministinnen aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammengetan und gemeinsam eine Stellungnahme veröffentlicht haben", sagt Gümüşay. Damit wollten sie auch zeigen, wie divers der deutsche Feminismus sei. "In deutschen Talkshows sitzt oft nur eine Feministin und das ist Alice Schwarzer", so Gümüşay.

Die Debatte solle nun zurück auf die betroffenen Frauen gelenkt werden. "Der Einsatz gegen sexualisierte Gewalt muss jeden Tag ausnahmslos politische Priorität haben, denn sie ist ein fortwährendes Problem, das uns alle betrifft", schreiben die Feministinnen.

CLAUDIA GIGLER